Verliebt, verlobt und eingesargt
wachsbleich im Gesicht mit einem etwas bläulichen Stich auf den Wangen. Die Augen waren starr, erinnerten an kleine Kugeln aus Glas.
Mein Blick glitt über die Brust, wo die Kleidung zerfetzt war, als hätte die Pranke eines Raubtiers dafür gesorgt. Ebenso schlimm sah auch die Wunde aus.
Ich vernahm das leise Knirschen, als Sid Ferry näher kam. Er deutete auf den Toten. »Das ist James Ury.«
»Wie lange ist er tot?« fragte ich und stellte fest, daß meine Stimme belegt klang.
»Vielleicht eine Woche oder etwas mehr.«
»In der Kälte halten sich die Leichen besser.«
»Da sagen Sie was.«
»Und er war Ihr Kollege?«
»Ja, stationiert bei der Rheinarmee. Dann hat er dieses Weib kennengelernt.«
Ich atmete durch die Nase ein. »Sind Sie eigentlich sicher, daß Susy die Männer getötet hat?«
»Wer sonst?«
»Das frage ich Sie«, sagte ich und ging auf den zweiten Sarg zu, um ihn ebenfalls zu öffnen.
»Ich wüßte niemanden, den ich für die Taten hätte verantwortlich machen können.«
»Beschwören können Sie es nicht?«
»Nein.« Er trat an das Fußende des zweiten Sargs. »Glauben Sie mir, John, das war Susy.«
»Ja, ich sah auch das kleine Schild auf Urys Brust. Es wäre natürlich auch möglich, daß jemand bewußt eine falsche Spur gelegt hat, um von anderen Dingen abzulenken.«
»Von welchen denn?«
»Das weiß ich auch nicht.«
Meine Finger hatten mittlerweile die Schlösser schon geöffnet, so brauchte ich den Deckel nur mehr in die Höhe zu hieven. Es ging ganz einfach. Der zweite Tote, der in dem Sarg auf dem Rücken lag, war noch nicht so lange tot. Man konnte es deutlich sehen.
»Das ist Walter Kissner.«
»Sie kannten ihn, Sid?«
»Ja, ich habe ihn beobachtet.«
»Wieso?«
»Es war ein Zufall. Ich sah Susy in der Stadt, und ich bekam mit, wie sie einen jungen Mann, diesen Toten hier, angemacht hat. Sie haben sich kurz nach dem Kennenlernen sogar Ringe gekauft und noch vor dem Laden verlobt.«
»Und dann eingesargt«, murmelte ich.
»So ist es.« Ferry bekam einen Schauer bei seiner Antwort. »Ich finde es schrecklich. Wir müssen dieser teuflischen Mörderin das Handwerk legen, bevor sie noch größeres Unheil anrichtet.«
»Falls wir sie fassen.«
»Das vorausgesetzt.«
Ich schaute mir den blonden Toten noch einmal an. Auch er war auf eine gewaltsame Art und Weise ums Leben gekommen. Die tiefe Wunde war ihm zum Verhängnis geworden. Sollte ein Mensch diesen Mann getötet haben, mußte dieser von allen guten Geistern verlassen sein. Sid Ferry dachte ähnlich wie ich. »So ist sie, John. Eine Bestie, die auf niemanden Rücksicht nimmt. Wer sich erst einmal in ihren Klauen befindet, ist verloren. Ich habe erlebt, wie sie die Männer umgarnt und sie dann eiskalt…«
»Noch ist nichts bewiesen, Sid.«
»Trotzdem, für mich kommt nur sie als Täterin in Betracht.«
Ich drehte mich um. »Es hat keinen Sinn, wenn wir hier stehen und theoretisieren, Sid. Wir müssen aktiv werden, und das können wir nur über Susy.«
»Sie wollen diese Frau kennenlernen?«
»Ja.«
»Dazu müßte man wissen, wo sie sich aufhält. Die Stadt ist groß. Daß ich Susy getroffen habe, möchte ich als einen Zufall bezeichnen. Den kann man wohl kaum wiederholen.«
»Wo bestünde denn eine Chance, daß sie uns in die Arme läuft?«
Ferry hob die Schultern. »Keine Ahnung. Oder doch. Ich würde sagen, daß Susy an diesen Ort zurückkommt. Sie hat doch bestimmt etwas mit den Toten vor, sonst hätte sie die Leichen nicht hier in der Kaue aufbewahrt. Oder meinen Sie nicht?«
»Doch, die Idee gefällt mir.«
»Dann sollten wir uns auf eine lange Wartezeit gefaßt machen.«
Ich zog den Mund schief. »Und das in dieser verdammten Kälte. Paßt mir überhaupt nicht.«
»Haben Sie einen besseren Vorschlag?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wie wäre es, wenn wir uns das Gelände dieser alten Zeche einmal näher ansehen würden?«
»Und dann?«
»Möglicherweise finden wir hier ihr Versteck. Irgendwo muß sie doch bleiben — oder nicht?«
»Ja, das stimmt.«
»Wenn diese Susy wärmere Plätze vorzöge, wäre es mir lieber. Hat ihr Kollege Elkman nicht erzählt, wo er Susy kennenlernte?«
»In der Stadt.«
»Die Stadt ist groß…«
»Ja, ich weiß«, regte sich Ferry auf. »Aber ich kann daran auch nichts ändern. Elkman war verbohrt. Er hatte nur noch sie im Kopf. Er sprach von Verlobung, von Heirat…«
»Verlobung auch?«
»Sicher.«
Ich verzog die Lippen. »Darin scheint sie wohl
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