Verliebt, verlobt und eingesargt
nicht zu lange aufhalten, Sid.«
»Wieso nicht?«
»Da war jemand, der hat nach dir gefragt.« Ferry zwinkerte überrascht.
»Und wer war es?« Orson hob die Schultern. »Kann ich dir auch nicht genau sagen. Jedenfalls ein Fremder.«
»Deutscher?«
»Klar.«
»Hat er nicht gesagt, was er von mir wollte?«
»Nein.«
»Kommt er noch einmal wieder?«
»Kann sein.« Der Wirt beugte sich vor, damit er nicht so laut zu reden brauchte. »Wenn du mich fragst, Sid, sah mir der Typ sehr nach einem Bullen aus.«
»Bist du sicher?«
Der Wirt bewegte seine Daumenkuppe über die Fingerspitzen. »Gefühl«, erwiderte er. »Das reine Gefühl, verstehst du?«
»Ja, natürlich.« Ferry spielte mit dem leeren Glas. »Hat der Mann gesagt, wann er zurückkommt?«
»Nein.«
»Wartet er denn auf mich?«
»Frag mich was Leichteres. Ich weiß es nicht. Ich wollte es dir auch nur gesagt haben.«
Sid machte den Arm lang und schlug Orson auf die Schulter. »Vielen Dank, mein Lieber.«
»Keine Ursache.«
In Gedanken versunken, blieb Sid an der Theke stehen. Er knetete sein Gesicht. Wenn der Wirt recht gehabt und tatsächlich ein Polizist nach ihm gefragt hatte, was wollte der Mann dann? Ferry hatte sich nichts zuschulden kommen lassen. Es konnte also nur um die Todesfälle seiner Kameraden gehen.
Ferry war genügend durchgewärmt. Er stieß sich vom Handlauf ab, winkte Orson noch zu und verließ den Pub. Seine Augen brannten vom Rauch. Die kalte Luft tat ihnen auch nicht besonders gut, und Ferry knetete seine Augenlider. Er achtete nicht auf die nähere Umgebung. Erst als er Schritte hörte, schaute er nach rechts.
Dort stand jemand, den er nicht kannte, aber der Fremde schien ihn zu kennen und auf ihn gewartet zu haben. Er trug einen Ledermantel mit Fellfutter. Auf seinem Kopf saß eine Pelzmütze. Die Gesichtshaut wirkte verfroren.
»Mr. Ferry?«
»Ja, das bin ich.«
»Mein Name ist Kruse. Ich bin von der Kriminalpolizei. Mordkommission.«
»Ja — und?«
Kruse lächelte. »Könnten wir uns unter vier Augen unterhalten? Es ist wichtig.«
»Natürlich, gern. Aber wo?«
»Bei Ihnen?« Kruse deutete auf den Pub. »Das ist nicht gerade die richtige Umgebung, finde ich.«
»Worum geht es denn?«
»Um den Tod Ihres Kollegen Ury.«
»Der ist tot?« tat Ferry überrascht.
»Ja, wir gehen davon aus. Zumindest ist er verschwunden.«
»Das stimmt.«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich mich gern in Ihrer Wohnung mit Ihnen unterhalten.«
»Natürlich, klar. Kommen Sie.«
Das Haus lag nur einige Schritte entfernt. Sie mußten über einen plattierten Weg schreiten, der zu beiden Seiten von Mülltonnen flankiert wurde.
Die Tür war verschlossen. In dem Block wohnten zahlreiche Familien, aber es gab auch kleine Wohnungen für Alleinstehende. Als die beiden Männer den Flur betraten, trat ausgerechnet die größte Klatschtante der Rheinarmee aus ihrer Tür.
Mrs. Wonderbee. Ihr Mann war Sergeant und warnte jeden Kameraden davor, mit seiner besseren Hälfte ein Gespräch anzufangen.
»Da sind Sie ja, Mr. Ferry. Endlich! Sie scheinen es ja nötig zu haben.«
»Wieso?«
»Vorhin wollte Sie jemand besuchen.«
»Wer denn?«
»Eine Frau.«
Ferry, der Mrs. Wonderbee hatte passieren lassen wollen, blieb plötzlich stehen. »Eine Frau?«
»Ja, sehr jung und auch schön.«
»Blond?«
»Auch.«
Das war sie, schoß es Ferry durch den Kopf. Das war Susy. Jetzt versuchte sie sogar, sich an ihn heranzumachen. Dieses verfluchte Satansweib gab keine Ruhe.
»Hat sie vielleicht zu erkennen gegeben, was sie von mir wollte?«
Mrs. Wonderbee verzog ihre breiten Lippen zu einem Schmollmund, bevor sie eine Antwort gab. »Was kann eine Frau von einem Mann schon wollen?« Dann setzte sie ein pikiertes Gesicht auf. »Aber mit mir hat sie ja nicht gesprochen. Sie wirkte übrigens sehr arrogant.«
»Ist sie noch da?«
»Nein, sie ging wieder.«
»Danke, Mrs. Wonderbee.«
»O bitte sehr, keine Ursache«, erwiderte sie spitz. Kruse und Ferry stiegen die Steintreppen hoch. »War das eine Bekannte von Ihnen, Mr. Ferry?«
Sid war in Gedanken. Er gab automatisch eine Antwort. »Ja, natürlich, das war sie. Wissen Sie, ich habe Urlaub. Vielleicht dachte sie, daß ich zu Hause wäre.«
»Waren Sie spazieren?«
Ferry drehte sich scharf um. »Soll das ein Verhör werden?«
Kruse lächelte hölzern. »Sorry, aber als Polizist fragt man eben automatisch.«
»Ja, ich war etwas weg. Die Kälte macht mir nicht so viel aus, wissen
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