Verliebt, verlobt und eingesargt
und schüttelte immer wieder den Kopf. »Es kann nicht sein«, flüsterte er, »verdammt noch mal, das ist doch ein Witz.«
Aber es war kein Witz. Er brauchte nur auf seine linke Hand zu schauen. Am Ringfinger glänzte ein schmaler goldener Verlobungsring. Sie hatte ihn gekauft, obwohl sie sich erst seit drei Tagen kannten, aber da war Susy konsequent gewesen.
»Ich will dich ganz oder gar nicht«, hatte sie gesagt. Walter legte sich zurück. Dreißig war er geworden und hatte schon einiges hinter sich. Was Frauen anging, mußte er sich manchmal vorkommen wie Casanova. Er hatte abgeschleppt, was es abzuschleppen gab, dann war er auf Susy getroffen.
Ein Zufall, der wie ein Blitz eingeschlagen hatte. Kissner legte sich zurück und dachte daran, wie es passiert war. Er hatte Urlaub gehabt und war durch die Stadt gebummelt. Um den Hunger zu stillen, war er im Westenhellweg, der Einkaufsstraße Dortmunds, in das Restaurant eines Kaufhauses gegangen. Zudem wollte er sich aufwärmen, denn auch über dem Ruhrgebiet lag eine klirrende Kälte. Er hatte sich einen Tee und eine Suppe bestellt, als sie an seinen Tisch gekommen war. Zunächst hatte er nur ihre Stimme gehört, und die hatte ihn die Hühnersuppe vergessen lassen.
»Ist hier noch frei?« hatte sie gefragt.
Als er aufschaute, sah er in ein Gesicht, dessen Anblick ihn bleich werden ließ.
So ebenmäßig, so schön, so rein wie das eines Engels. Ja, das mußte ein Engel sein. Ein Engel aus Fleisch und Blut, der einen weiten blauen Mantel mit einem roten Schal trug.
Wie der Blitz war er aufgesprungen und hatte genickt. »Ja, natürlich, hier ist noch Platz.«
»Danke.« Sie zog den Mantel aus. Walter war noch so überrascht, daß er ihr dabei nicht einmal half. Unter dem Mantel trug sie eine schwarze Bluse, die seidig schimmerte und einen spitz zulaufenden Auschnitt besaß, so daß Walter erkennen konnte, daß sie auf einen BH verzichtet hatte. Der Rock war ebenfalls dunkel und an einer Seite geschlitzt, damit er beim Sitzen nicht beengte.
Walter starrte sie nur an, bis sie lächelte. »Ihre Suppe wird wohl kalt, dann schmeckt sie nicht mehr.«
Kissner wurde rot. »Entschuldigung, ich war im Moment ein wenig verwirrt.«
»Doch nicht wegen mir, mein Lieber.«
Er kam sich vor wie auf einer Insel sitzend. Der Betrieb in dem Restaurant existierte nicht mehr. Andere Menschen, die an den Nebentischen saßen, kümmerten ihn nicht.
Das hatte alles keinen Sinn mehr. Nur die Unbekannte zählte. Kissner bekam kaum mit, wie die Bedienung erschien und nach den Wünschen des Gastes fragte. Mit leiser Stimme bestellte die Unbekannte eine Tasse Kaffee. Allein wie sie die Worte aussprach, ließ auf Walters Rücken eine Gänsehaut erscheinen. Als er weiteraß, stellte er fest, daß seine Hand zitterte. Er bekam die Tasse nur knapp bis zur Hälfte leer. Dann stellte er sie zur Seite.
»Keinen Hunger?« fragte die Frau.
»Nein, nicht mehr.«
»Habe ich Ihnen den Appetit verdorben?«
Er lachte auf und sah, daß ihre Wangen einen rosigen Schein angenommen hatten. »So etwas dürfen Sie nicht sagen. Ihr Anblick hat mich hart getroffen. Ich will Ihnen ehrlich sagen, ich… also ich… bin von Ihrer Schönheit begeistert.«
Sie lächelte ihn an. »Das freut mich, Herr…«
»Kissner, Walter Kissner.«
»Ich bin Susy.«
»Ein toller Name.« Er antwortete spontan. »Ich bin begeistert. Er paßt zu Ihnen.« Dabei kam ihm nicht zu Bewußtsein, daß er abgedroschene Phrasen daherredete.
Sie nahm es nicht tragisch, lächelte wieder und trank den ersten Schluck Kaffee.
Walter Kissner beobachtete jede ihrer Bewegungen. Für ihn war sie etwas Besonderes, ein Wesen, das es nicht geben konnte. Sie schien von einem fremden Stern zu stammen und in diese Welt gekommen zu sein. Kissner war nicht auf den Mund gefallen, aber jetzt wußte er nicht, was er noch sagen sollte. Jeder Satz kam ihm töricht vor. Statt dessen beobachtete er das Spiel ihrer Hände. Die Finger waren sehr lang, die Nägel fein geschnitten und matt lackiert. Alles paßte zu ihr, auch der Schmuck. Sie trug einen schmalen Armreif aus Gold und dazu einen ebenfalls passenden Ring am linken Mittelfinger.
»Wohnen Sie in Dortmund?« fragte sie plötzlich.
»Ja.«
»Eine schöne Stadt?«
Er hob die Schultern. »Ich weiß nicht, wie sie auf andere wirkt. Aber ich bin hier geboren.«
»Und Sie fühlen sich wohl?«
»Ja.« Er ärgerte sich, daß er schon wieder so einsilbig war, aber die Nähe der Frau machte ihn
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