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Verliebt, verlobt - verrueckt

Verliebt, verlobt - verrueckt

Titel: Verliebt, verlobt - verrueckt
Autoren: Amelie Fried , Peter Probst
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für mich zu behalten, erschien mir traurig und sinnlos. Hatte ich mal zu jemandem Vertrauen gefasst, ließ ich ihn oder sie jederzeit einen Blick in meine Seele werfen. Leider habe ich damit nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Mit den Jahren lernte ich sogar, dass ich, vor allem wenn Liebe im Spiel ist, manches Geheimnis besser für mich behalten sollte.
    Gabi zum Beispiel. Wir hatten uns gerade lange geküsst und waren noch völlig außer Atem. Da fragte sie: » Was denkst du jetzt?« Ich war noch sehr unschuldig, schrieb noch Gedichte und sagte: » Ich denke, dass deine Haare ein Wald sind, in dem ich mich gern verirren würde.« Gabi seufzte vor Glück, nahm meinen Kopf in ihre Hände und begann mich erneut zu küssen. Meine Antwort war also eine gute Antwort gewesen. Leider hatte ich gelogen und das belastete mich als braven katholischen Buben während der nächsten Tage. Als ich Gabi wieder zum Küssen besuchte und sie mich nach einer sehr langen Mundverschmelzung erneut nach meinen Gedanken fragte, sagte ich die Wahrheit: » Ich habe mir überlegt, wie lange wir uns wohl noch küssen müssen, bis ich dich endlich anfassen darf.« Diesmal rückte Gabi von mir weg und sagte: » Du bist also auch nicht anders als die anderen.« Meine Antwort war eine schlechte Antwort gewesen– dachte ich. Erst später begriff ich, dass der Fehler nicht bei mir, sondern bei Gabi gelegen hatte. Wie konnte sie davon ausgehen, dass ein Mensch, noch dazu ein Mann, in jedem Augenblick ihr angenehme Gedanken dachte? Selbst in den innigsten Momenten überfallen uns doch völlig unpoetische Banalitäten. Mist, ich muss auf die Toilette oder Hoffentlich sieht sie in zwanzig Jahren nicht aus wie ihre Mutter.
    Die Frage nach den geheimen Gedanken des anderen ist zumindest riskant und man sollte sich gut überlegen, ob man einer ehrlichen Antwort gewachsen ist. Wenig Sinn hat es, wenn der befragte Mann mit einem entschiedenen » Darüber möchte ich jetzt nicht reden« antwortet. Die Frauen, die ich kennengelernt habe, würden nicht lockerlassen und einen so zwingen, sich doch wieder eine Lüge auszudenken.
    Ein paar Jahre später– ich war schon fast ein Mann und als Lehrer an einem Gymnasium in Rom beschäftigt– war ich in einer Beziehung, einer Fernbeziehung mit Susi. Wir hatten uns zahllose Briefe geschrieben und einander sehr vermisst. Nun war der langersehnte Moment des Wiedersehens da. Susi roch nach dem Nachtzug aus München, der immer drei Stunden Verspätung hatte, war durstig und hungrig. Aber es gab ja die Bar an der Ecke, wo ich Tramezzini und » Nastro azzurro«-Bier holen konnte. Leider verwickelte der Barmann mich in ein Gespräch über Sartre– das war damals nicht unüblich in Rom– und es dauerte ein wenig länger, bis ich in meine Wohnung zurückkehrte. Susi hatte sich in der Zwischenzeit mit ihrem Gürtel am Fenstergriff aufgehängt. Ihr Gesicht war dunkelrot, sie japste. Ich hängte Susi ab und fragte, was los sei. » Du liebst mich nicht mehr«, sagte sie mit gequetschter Stimme. Ich trat ans Fenster und überlegte, wie ich ihr das Gegenteil beweisen sollte. Vor mir lag das Kolosseum in seiner ganzen brüchigen Pracht– der beste Ausblick, den ich je gehabt habe– hinter mir schluchzte Susi. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass sie in meinem Tagebuch las. Sie hatte die Seite aufgeschlagen, auf der ich meine Schülerin Antonietta beschrieb und mir ausmalte, wie es wohl wäre, sie zu verführen. Selbstverständlich verführte ich keine Schülerinnen, obwohl ich erst dreiundzwanzig und nur Hilfslehrer war, und eine solche Handlung im Rom der späten Siebzigerjahre weder die fast volljährige Antonietta, noch irgendjemand anderen gestört hätte. Ich wollte Susi treu bleiben und hatte es trotz mancher Anfechtung bisher geschafft. Aber das bereute ich nun, da sie dreist in meinem Tagebuch las.
    Â» Pia hat Sternenaugen«, zitierte sie mich. » Würdest du es mit der auch gern treiben?« Pia war die Frau meines engsten Freundes in Rom und für mich selbstverständlich tabu. » Und mit Vittoria hast du eine ganze Nacht lang gequatscht.« Das hatte ich tatsächlich, weil Vittoria klug, lustig und eine wunderbare Zuhörerin war. Susi wurde immer wütender und zerriss sogar einige Tagebuchseiten. Ich fragte mich, wie eine Frau, die sich gerade noch
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