Verliebt, verlobt - verrueckt
motivieren.
Ich kann mich gut an die Zeit erinnern, in der auch ich wie eine Schlafwandlerin durch meinen Alltag getorkelt bin, der aus einem atemberaubenden Drahtseilakt mit Windelwechseln, Kindergartendramen, schlaflosen Nächten, Sendungsvorbereitung und Buch-Abgabeterminen bestand. Zu dieser Zeit hätte ich abends jederzeit ein heiÃes Bad und eine Rückenmassage dem aufregendsten Sex der Welt vorgezogen.
Es ist nicht zu übersehen, dass hier ein » clash of nature and culture« stattfindet. Der männliche Trieb und die natürliche Erschöpfung der Mütter kollidieren mit unserem kulturellen Ideal von Monogamie und Treue. Die Männer reagieren frustriert, die Frauen haben Schuldgefühle, es ist ein ewiges Ringen um einen für beide erträglichen Kompromiss, der nicht gerade der Erotik förderlich ist. Sex wird zum ständigen Krisenherd und zur Verhandlungsmasse, es entsteht ein innerehelicher Dauerkonflikt, für den es oft keine befriedigende Lösung gibt.
Ich glaube übrigens nicht, dass Sex zwangsläufig ein konstituierendes Element der Ehe sein muss. Ich kenne ein Paar, das über dreiÃig Jahre zusammen und seit einigen Jahren auch verheiratet ist, aber keinen Sex hat. Ich weià nicht, ob sie gar keinen haben, oder nur nicht miteinander. Ich weià nur, dass sie sich sehr lieben und nicht ohne den anderen sein möchten. Keiner von ihnen macht den Eindruck, ihm würde etwas fehlen.
Es gibt unendlich viele Formen des Zusammenlebens und des Sexuallebens. Alles, was für beide Partner in Ordnung ist, finde ich legitim. Es gibt Arrangements, bei denen einer oder beide mit stillschweigender Duldung des Partners Geliebte haben, es gibt gänzlich offene Ehen und solche, in denen die Sexualität gemeinsam mit anderen ausgelebt wird. Entscheidend ist, dass beide zufrieden sind, und sich nicht einer dem anderen zuliebe auf etwas einlässt, das ihn unglücklich macht.
Was aber, wenn ein Partner den anderen nicht mehr begehrt? Daraus kann unendlich viel Leid und Verzweiflung entstehen, und für dieses Problem gibt es kaum befriedigende Lösungen. Begehren ist nichts, das man beschlieÃen oder aktiv herstellen kann, und die in der einschlägigen Ratgeberliteratur gern verbreitete Vorstellung, eine Frau müsse nur in Strapsen und Reizwäsche vor ihrem erschlafften Gatten herumtanzen, um ihn wieder auf Touren zu bringen, ist ziemlich naiv. Die Probleme in diesen Fällen liegen fast immer tiefer und haben oft mehr mit demjenigen zu tun, der nicht mehr begehren kann, als mit dem, der nicht mehr begehrt wird.
Niemanden trifft in diesen Fällen eine Schuld, niemandem ist ein Vorwurf zu machen. Empfindungen können sichâ auch gegen unseren Willenâ verändern, aus Anziehung kann Gleichgültigkeit werden oder sogar Abscheu.
Kaum jemand hat diese Tragödie so brutal und treffend beschrieben wie der französische Schriftsteller Michel Houellebecq in seinem Buch » Elementarteilchen«: » Im April habe ich Anne einen silberdurchwirkten Strapshalter zum Geburtstag geschenkt. Erst hat sie ein wenig protestiert, aber dann hat sie sich bereit erklärt, ihn anzulegen. (â¦) Als ich ins Schlafzimmer kam, wusste ich sofort, dass es ein Schuss in den Ofen war. Ihre Arschbacken hingen herab, wurden von den Strapsen zusammengequetscht; ihre Brüste hatten das Stillen nicht unbeschadet überstanden. (â¦) Ich habe die Augen zugemacht und einen Finger unter ihren Tanga geschoben, mein Schwanz war völlig schlaff. In diesem Augenblick hat Victor angefangen, im Nebenzimmer vor Wut zu schreienâ ein langes, schrilles, unerträgliches Geschrei. Sie hat sich einen Bademantel übergeworfen und ist in sein Zimmer geeilt.«
Wer von solchen Dramen verschont bleibt und die Jahre der Brutpflege übersteht, hat gute Chancen, auch alle weiteren Schwierigkeiten zu meistern. Irgendwann werden die Kinder gröÃer, schlafen durch und leben schlieÃlich ihr eigenes Leben. Dann hat man wieder genügend Zeit. Und hoffentlich auch Lust.
» Ihr habt noch Sex?«, fragte unsere Tochter kürzlich entsetzt, » aber, ihr seid doch schon so alt!« Ja, stimmt, uralt. 53 und 54 . Aber Golfspielen macht uns einfach keinen SpaÃ.
Alte Leute haben (nach Meinung von jungen Leuten) keinen Sex mehr zu haben. Nur, ab wann ist man (zu) alt? Mein über neunzigjähriger Patenonkel erwiderte auf die Frage, wie oft er noch an
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