Verliebt, verlobt - verrueckt
nicht mehr. Er wäre bereit, mir alles zu schenken, was er besitzt, und wenn er mich verlieÃe, würde er vermutlich gehen, ohne einen einzigen Gegenstand aus unserem gemeinsamen Haushalt mitzunehmen.
Ich finde, er kann ganz schön froh sein, dass ich so rational bin. Einen Romantiker wie ihn muss man wirklich vor sich selbst schützen!
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»Die Frau muss verstehen lernen, dass der Beruf für den Mann einen wesentlichen Teil des Lebens bedeutet. Je männlicher der Mann ist, desto i nte nsiver wird er sich seinem Beruf widmen und versuchen, darin eine gewisse Vollk omme nheit zu erreichen. Das ist für ihn so natürlich , wie es für die Frau natürlich ist, Kinder zu bekommen .«
Theodor Bovet, Die Ehe, ihre Krise und Neuwerdung, 1948
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Anmerkung des Ehemanns:
Jetzt ist es also doch passiert. Irgendjemand hat den Mund nicht halten können und meine » Utopie der Liebe« ausgeplaudert. Oder hat Amelie mich von Anfang an durchschaut? Vielleicht in dem Moment, als ich beim Notar während der Verlesung des Ehevertrags ein Gesicht machte, als würde gerade das Todesurteil für unsere Liebe verkündet. Ich weiÃ, diese Regelung ist sehr vernünftig, trotzdem war sie mir zuwider. Ich hätte mit der EheschlieÃung so gern dokumentiert, dass ich ein furchtloser Held bin. Ich hätte a ll es eingesetzt, was ich habe (es war zugegeben nicht viel). Ich hätte sogar einen Vertrag unterschrieben, in dem die Scheidung ein für allemal ausgeschlossen wird. Vermutlich hatte ich die magische Vorstellung, unsere Verbindung würde umso haltbarer, je mehr wir für sie riskierten. Regelungen für den Eventualfall und jede Art von Absicherung widersprachen meiner Bereitschaft zum Absoluten. Amelie meint, man muss mich vor mir selbst schützen. Wahrscheinlich hat sie recht. Weil sie fast immer recht hat. Trotzdem soll sie wissen, dass mir für sie kein Risiko zu hoch gewesen wäre.
» Die gefährlichste Klippe im Leben eines Künstlers ist die H eirat , besonders eine sogenannte glückliche Heirat.«
Anselm Feuerbach
» Ich finde heiraten immer noch u nvernünftig! «
Interview mit Christine Kaffka ( 58 ), Autorin, und Julius Levy ( 60 ), Künstler, eine erwachsene Tochter. Die beiden sind seit 43 Jahren ein Paar, haben aber erst vor Kurzem heimlich geheiratet. Wir wollten wissen, warum.
Wie habt ihr euch kennengelernt?
C: In einem kleinen Ort zwischen Aachen und Düsseldorf.
J: Dem möchte ich widersprechen. ( Beide lachen. ) Wir trafen uns regelmäÃig im Bus, wir waren laut, es wurde geraucht und gekifft, die Stimmung war wie in der Kneipe. Komischerweise hat niemand Anstoà daran genommen, nicht mal der Busfahrer â¦
Was war der erste Eindruck, den ihr voneinander hattet?
C: Mein erster Eindruck war, dass er ein lieber Mensch ist, anders als die anderen. Ich hatte spontan Vertrauen zu ihm.
Und dein erster Eindruck, Julius?
J: Christine passte da gar nicht rein, sie war so was von anständig, rauchte und kiffte nicht, beobachtete aber alles mit scharfem Blick. Ich war echt erstaunt, als ich merkte, dass sie sich für mich interessierte.
Wie ging es dann weiter?
C: Wir haben uns verabredet, und Julius schleppte mich in Düsseldorf in Bars und Kneipen, in die ich alleine niemals gegangen wäre. Das war mir dann schon ein bisschen unheimlich, aber ich hatte keine Angst, sondern in diesem Moment das sichere Gefühl, dass jetzt mein neues Leben beginnt.
J: Ich wäre damals durch niemanden auf der Welt zu bremsen gewesen bei dem, was ich wollte, und das hat sich auch auf Christine bezogen. Ich fand sie unheimlich attraktiv.
Ihr habt dann gemeinsam auf der Werkkunstschule i n Düsseldorf st udiert.
J: Morgens sind wir immer mit dem ersten Bus gefahren, um aus unserem Kaff rauszukommen. Wir waren damals beide noch ungebildet und haben dann gemeinsam unsere Entdeckungsreise in die Welt gemacht, auch gewissermaÃen unsere » Menschwerdung« erlebt.
C: Wir haben uns aber auch einzeln weiterentwickelt und waren nicht immer einer Meinung. Einig, uns sofort zu trennen, waren wir 1976 , nachdem wir Pina Bauschs Tanztheaterstück » Kontakthof« gesehen hatten. Uns war schlagartig klar geworden, was man dem anderen auch mit gröÃtem Respekt unbewusst zumutet. Wir waren so selbstlos verliebt, dass jeder den anderen unbedingt schonen, ihm seine Allüren ersparen wollte. Dann war die Liebe
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