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Verliebt, verlobt - verrueckt

Verliebt, verlobt - verrueckt

Titel: Verliebt, verlobt - verrueckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried , Peter Probst
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gewesen, zu heiraten?
    C: Für mich wäre es einfacher gewesen. Auf Reisen zum Beispiel musste ich ständig umständlich nachweisen, dass ich mein Kind mit dem anderen Nachnamen nicht gestohlen habe.
    Und warum wolltest du um keinen Preis heiraten, Julius, s ondern has t lieber Christine all das zugemutet?
    J: Weil das für mich ein unmögliches Konzept ist, dass man eine Institution braucht, um ein gemeinsames Leben zu führen. Ich habe durch meine Arbeit ein großes Autonomiebedürfnis entwickelt und grundsätzlich kein materielles Interesse. Ich brauche keine staatlichen Krücken. In dem Moment, in dem man heiratet, hilft einem der Staat, das formal auf eine bessere Ebene zu stellen. Aber Bindungshilfe in Anspruch zu nehmen, ist für mich was ganz Schreckliches.
    Gibt es nicht diesen romantischen Aspekt für dich, Julius, da ss du dich vor aller Welt zu der Frau bekennst, die du liebst, indem du sie heiratest?
    J: Nee, das ist richtig ekelhaft! ( Alle lachen. ) Die Wahrheit ist doch die, dass man das viel besser in jedem Moment machen kann. Heiraten wird oft als Alibi benutzt. Man macht es einmal, und danach lässt man das Ganze oft den Bach runtergehen, je nachdem welchen Charakter man hat. In dem Moment, wo ich den Rollstuhl in Anspruch nehme, verlerne ich das Gehen.
    Aber es gibt doch Paare, die verheiratet und trotzdem nic ht mit dem staatlichen Rollstuhl unterwegs sind!
    J: Das war damals in meiner Wahrnehmung nicht so. In meinem Umfeld habe ich mehr unglückliche Ehepaare gesehen als glückliche.
    Was gab es noch für Gründe für deine vehemente Ablehnung der Ehe ?
    J: Ich habe mich immer als Misfit empfunden, als jemand, bei dem nichts passt. Für mich war ganz wichtig, dass ich nur aus mir heraus eine neue Welt, eine neue Wirklichkeit erfinden kann. Ich brauche das Gefühl, dass ich alles schaffen, alles selber machen kann. Ich misstraue allem, das sich zu stark konfiguriert, ich bevorzuge offene Systeme. Dazu gehörte auch die Ablehnung des Wohlfahrtsstaates. Ich wollte nicht mal das Kindergeld für Stella nehmen.
    Hat das auch etwas mit deinem Selbstverständnis als Künstler zutun?
    J: Durchaus. Irgendwann habe ich meinen Führerschein, meinen Flüchtlingsausweis, meinen Personalausweis, meinen Reisepass und den Wehrpass vergraben und zum Kunstwerk transformieren lassen: ’ne Art Wurmkur mit Wurzelbehandlung für bedeutungsgeladenes Papier und Stempelfarbe.
    Christine, hast du Julius’ Weigerung, zu heiraten, als Zurückweisung empfunden?
    C: Nein. Nur, wenn er mich bei formellen Vorstellungsritualen als » meine Lebensgefährtin« oder » meine Freundin« vorgestellt hat, das fand ich kränkend. Das hat alles so einen fast entschuldigenden » Vorübergehend«-Touch. Am phantasievollsten fand ich aber: » … die Mutter meiner Tochter«.
    J: Freundin ist doch toll! Jemandem ein Freund zu sein setzt doch konstruktive Kritikfähigkeit und gegenseitige Achtung voraus. Mit Freund oder Freundin eine Beziehung zu leben, die man immer auch infrage stellt, und daraus Liebe zu gewinnen, ist etwas Schönes! Das hat für mich einen größeren Wert, als » meine Frau« zu sagen.
    Wie kam es denn dazu, dass ihr nach fast vierzig Jahren doc h noc h geheiratet habt?
    C: Mir wurde eines Tages klar: Wenn mir was passiert, muss Stella sich mit meiner furchtbaren Verwandtschaft, in die ich aus Versehen hineingeboren bin, herumschlagen. Die würden Ansprüche erheben auf das Haus, auf die Rechte meiner Bücher, und Julius hätte gar nichts zu melden. Umgekehrt war auch die Frage: was passiert mit seinen Bildern, seiner Kunst? Und da dachte ich, man könnte doch jetzt einfach mal heiraten, das spielt doch überhaupt keine Rolle.
    Aber du wusstest, dass Julius bei diesem Thema komplett allergisch reagiert.
    C: Ich musste ihm versprechen, dass absolut niemand etwas davon erfährt. Am Tag der Trauung brachte unsere Treuzeugin mir Blumen mit. Ich versteckte sie schnell, damit bloß niemand merkte, dass wir im Begriff waren, das Unglaubliche zu tun: zu heiraten!
    Julius, du hast dich so lange geweigert, nun hast du– aus praktischen Erwägungen– schließlich doch nachgegeben. Hat si ch denn seither irgendwas verändert?
    J: Nein, ich habe keinen praktischen Erwägungen nachgegeben, eher meiner bedeutungsgeschwängerten Haltung. Ich finde heiraten immer noch unvernünftig, aber ich lebe ja

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