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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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keuchte Tally. "Viel besser, als sich nachts durch New Pretty Town zu schleichen."
      Shay grinste glücklich. "Ich bin froh, dass du das so siehst. Ich wollte unbedingt wieder hierher, aber nicht allein, verstehst du?"
      Tally schaute den Wald an, der sie umgab, sie versuchte in die schwarzen Räume zwischen den Bäumen zu blicken. Das hier war wirklich die Wildnis, wo sich alles verstecken konnte, es war kein Ort für menschliche Wesen. Sie zitterte bei der Vorstellung, allein hier zu sein. "Und wohin jetzt?"
      "Jetzt gehen wir."
      "Gehen?"
      Shay zog ihr Brett an Land und stieg ab. "Ja, ungefähr einen halben Kilometer in dieser Richtung gibt es eine Eisenader. Aber bis dahin gibt es nichts.
      "Wovon redest du eigentlich?"
      "Tally, Hubbretter funktionieren durch magnetische Levitation, klar? Also brauchen sie irgendein Metall in der Nähe, sonst schweben sie nicht."
      "Ja, kann schon sein. Aber in der Stadt..."
      "In der Stadt sind Stahlgitter in den Boden eingelassen, egal, wo du gerade bist. Hier draußen musst du vorsichtig sein."
      "Was passiert, wenn das Brett nicht mehr schweben kann?"
      "Dann stürzt es ab. Und die Auffangarmbänder wirken auch nicht mehr."
      "Oh." Tally stieg von ihrem Brett und klemmte es sich unter den Arm. Sie fühlte sich von dem wilden Flug hierher wie gerädert. Es tat gut, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Die Felsen fühlten sich unter ihren zitternden Beinen beruhigend anders an als irgendeine Schwebeübung.
      Nachdem sie einige Minuten gegangen waren, wurde ihr Brett jedoch immer schwerer. Inzwischen war der Lärm des Flusses hinter ihnen zu einem dumpfen Dröhnen geworden und das Brett unter ihrem Arm fühlte sich an wie ein Stück Eiche.
      "Ich wusste ja gar nicht, dass die Dinger so viel wiegen."
      "Doch, so viel wiegt ein Brett, wenn es nicht schwebt. Hier draußen merkst du, dass wir in der Stadt darüber belogen werden, wie die Dinge wirklich funktionieren."
      Der Himmel überzog sich immer mehr mit Wolken und in der Dunkelheit schien die Kälte sich zu verschärfen. Tally schob das Brett höher, um es besser zu fassen zu bekommen, und fragte sich, ob es wohl Regen geben würde. Sie war schon nass genug von den Stromschnellen. "Ich finde es manchmal gar nicht schlecht, belogen zu werden."
            ***
      Nach einem langen, mühsamen Marsch durch die Felsen, brach Shay das Schweigen. "Hier lang. Hier verläuft eine natürliche Eisenader im Boden. Das kannst du an deinen Auffangarmbändern merken."
      Tally streckte eine Hand aus und runzelte skeptisch die Stirn. Aber nach einer weiteren Minute spürte sie ein vages Zucken im Armband, so, als versuche ein Geist, sie weiterzuziehen. Ihr Brett wurde wieder leichter und bald waren sie und Shay erneut aufgesprungen und schwebten über einen Felskamm und dann hinunter in ein dunkles Tal.
      Auf dem Brett hatte Tally wieder genügend Luft, um eine Frage zu stellen, die ihr im Kopf herumspukte. "Wenn die Hubbretter Metall brauchen, wieso funktionieren sie dann über dem Fluss?"
      "Das ist wie beim Goldwaschen."
      "Was?"
      "Flüsse kommen aus Quellen, und die entspringen in den Bergen. Also bringt das Wasser Mineralien aus dem Erdinneren mit. Weshalb unten in Flüssen immer Metall lagert."
      "Ach so. Deshalb haben die Leute früher Gold gewaschen?"
      "Genau. Aber eigentlich ziehen die Bretter Eisen vor. Nicht alles, was glänzt, ist auch schwebeleicht."
      Tally runzelte die Stirn. Shay drückte sich manchmal so rätselhaft aus, als ob sie die Texte irgendeiner Band zitierte, die sonst kein Mensch hörte.
      Sie hätte fast danach gefragt, aber Shay hielt plötzlich an und zeigte nach unten.
      Die Wolken öffneten sich und Mondlicht jagte hindurch und weiter zum Talgrund. Dort ragten kompakte Türme auf und warfen gezackte Schatten, ihre von Menschen gestalteten Umrisse zeichneten sich deutlich vor den windzerzausten Baumwipfeln ab.
      Die verrosteten Ruinen.

 
 Die verrosteten Ruinen
      

      
      Blinde Fenster starrten schweigend aus den riesigen Gebäuden auf sie herab. Wenn es hier je Glas gegeben hatte, dann war es längst zerbrochen, Holz war verfault und nichts war übrig außer Metallrahmen, Mörtel und Steinen, die unter der eindringenden Vegetation zerkrümelten. Als Tally auf die schwarzen, leeren Eingänge hinunterschaute, bekam sie eine Gänsehaut bei der Vorstellung, unten zu landen und einen Blick hineinzuwerfen.
      Die beiden Freundinnen

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