Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
Vom Netzwerk:
aus den Städten gesehen. Du bist anders als die meisten. Du siehst die Welt klar, auch wenn du bisher verwöhnt worden bist. Deshalb musste ich es dir sagen. Deshalb ..."
      Tally blickte in seine Augen und sah, dass sein Gesicht wieder glühte - und dass es sie schon wieder auf diese Pretty-Weise berührte.
      "Deshalb bist du schön, Tally."
      Als sie das hörte, wurde ihr für einen Moment schwindlig, es war wie dieses Gefühl, beim Blick in die Augen eines frischgebackenen Pretties abzustürzen. "Ich?"
      "Ja."
      Sie lachte und schüttelte den Kopf, um sich von dem Schwindel zu befreien. "Was, bei meinen dünnen Lippen und meinen viel zu eng sitzenden Augen?"
      "Tally ..."
      "Und meinen Strubbelhaaren und meiner plattgedrückten Nase?"
      "Sag das nicht." Seine Finger berührten ihre Wangen, auf denen die Schrammen jetzt fast verheilt waren, und streiften ganz kurz ihre Lippen. Sie wusste, wie schwielig seine Fingerspitzen waren, so hart und grob wie Holz. Aber trotzdem kam ihr diese Liebkosung weich und zärtlich vor.
      "Das ist das Schlimmste, was sie euch antun, euch allen. Egal, was diese Gehirnläsionen verursachen, der schlimmste Schaden entsteht schon, ehe sie überhaupt zum Messer greifen. Euch wird eingetrichtert, dass ihr hässlich sind."
      "Sind wir ja auch. Alle."
      "Du findest mich also hässlich?"
      Sie wandte sich ab. "Das ist eine sinnlose Frage. Es geht hier
      nicht um Individuen."
      "Doch, das tut es, Tally. Unbedingt."
      "Ich meine, niemand kann wirklich ... verstehst du, biologisch gesehen gibt es gewisse Dinge, die wir alle ..." Sie konnte nicht mehr weitersprechen. "Findest du mich wirklich schön?"
      "Ja."
      "Schöner als Shay?"
      Beide blieben schweigend und mit offenem Mund stehen. Die Frage war Tally herausgerutscht, ohne darüber nachzudenken. Wie hatte sie etwas so Entsetzliches sagen können?
      "Tut mir leid."
      David zuckte mit den Schultern und wandte sich ab. "Das ist eine faire Frage. Ja, das finde ich."
      "Findest was?"
      "Ich finde dich schöner als Shay." Das sagte er so nüchtern, als sei hier die Rede vom Wetter.
      Tallys Augen schlossen sich, die ganze Erschöpfung dieses langen Tages brach jetzt über sie herein. Sie sah Shays Gesicht - zu dünn, die Augen zu weit auseinander - und ein entsetzliches Gefühl stieg in ihr auf. Die Wärme, die sie bei David gespürt hatte, wurde davon zerstört.
      An jedem Tag ihres Lebens hatte sie andere Uglies beleidigt und war im Gegenzug von ihnen beleidigt worden. Fettsack, Skelett, Pickel, Freak - so vielen Namen hatten die Uglies füreinander und benutzten sie eifrig und hemmungslos. Aber sie taten das ohne Ausnahme, damit sich niemand durch irgendeinen belanglosen Geburtsfehler ausgeschlossen fühlen musste. Und absolut niemand galt auf irgendeine Weise als schön, als privilegiert aufgrund einer zufälligen Schrulle der Gene. Und deshalb wurden dann ja auch alle hübsch gemacht.
      Das hier war nicht fair.
      "Sag das nicht. Bitte."
      "Das wolltest du doch."
      Sie öffnete die Augen. "Aber es ist entsetzlich! Es ist ungerecht!"
      "Hör mal, Tally. Das bedeutet mir nichts. Was in dir ist, ist viel wichtiger für mich."
      "Aber zuerst siehst du mein Gesicht. Du reagierst auf Symmetrie, auf Teint, auf Augenform. Und du entscheidest, was in mir ist, aufgrund dieser Reaktionen. Dazu bist du programmiert."
      " Ich bin nicht programmiert. Ich bin in keiner Stadt aufgewachsen."
      "Das ist keine Frage von Kultur, sondern von Evolution."
      Er zuckte hilflos die Schultern und der Zorn verschwand aus seiner Stimme. "Teilweise vielleicht." Er lächelte müde. "Aber weißt du, was anfangs mein Interesse an dir geweckt hat?"
      Tally holte tief Luft und versuchte sich zu beruhigen. "Was denn?"
      "Die Schrammen in deinem Gesicht."
      Sie kniff die Augen zusammen. "Was?"
      "Diese Schrammen." Sanft berührte er wieder ihre Wange.
      Sie schüttelte das elektrische Gefühl ab, das seine Finger dort hinterließen. "Das ist doch Irrsinn. Entstellte Haut weist auf ein schwaches Immunsystem hin."
      David lachte. "Sie weist daraufhin, dass du ein Abenteuer hinter dir hast, Tally, dass du dir deinen Weg durch die Wildnis gebahnt hast, um herzukommen. Für mich wies sie daraufhin, dass du eine gute Geschichte erzählen konntest."
      Ihre Empörung verflog. "Eine gute Geschichte?" Tally schüttelte den Kopf und in ihr stieg ein Lachen auf. "In Wirklichkeit hab ich mir das Gesicht schon in

Weitere Kostenlose Bücher