Verlockend untot
einfach die Gardinenstange von der Wand, mit ihren Haken und allem. Er wollte sie in einen Müllbeutel stopfen, und als sie nicht hineinpasste, zerknüllte er das Ding zu einer Metallkugel und machte sie passend. Der andere Vamp sah ihm mit verschränkten Armen dabei zu und schüttelte langsam den Kopf.
Bei einer anderen Gelegenheit wäre es lustig gewesen. Die Wächter waren mindestens Meister der dritten Stufe und gehörten damit gewissermaßen zum Vamp-Adel. Müllbeutel tragen, den Boden fegen und Trümmer fortschaffen – an so etwas waren sie nicht gewöhnt. Aber sie wollten keine anderen Leute in die Nähe des Apartments lassen, nicht einmal Zimmermädchen, und deshalb blieb ihnen keine Wahl. Und eins musste man ihnen lassen: Bisher hatte sich nicht einer von ihnen beschwert.
Was vielleicht daran lag, dass noch niemand von ihnen etwas gesagt hatte. Die meisten schienen noch etwas blasser zu sein als sonst, und gelegentlich warf mir einer von ihnen einen Blick zu. Es waren die Blicke, die im Zoo ein gefährliches Tier bekam, das sich zu dicht am Zaun befand. Sie schienen zu befürchten, dass ich mich jeden Augenblick auf sie stürzen konnte.
»Ich glaube, sie haben Angst vor mir«, sagte ich zu Marco, als ein weiterer Wächter mit einem schnellen Seitenblick in meine Richtung vorbeieilte.
»Nicht vor Ihnen«, erwiderte Marco und warf ein blutiges Papierhandtuch in den überquellenden Abfallkorb.
»Was soll das heißen?«
»Es soll heißen, dass Sie Feinde anlocken wie verfaulendes Fleisch Fliegen.«
»Hübscher Vergleich!«
»Und es sind keine normalen Feinde«, klagte er. »Ich meine, keine Leute, denen man ein Ding verpassen und die man ordentlich durch die Mangel drehen kann. Wir reden hier von Geistern, Dämonen oder einem verdammten Gott. Meine Jungs sind gut, aber sie wissen nicht, wie man mit so was fertigwird. Deshalb fühlen sie sich hilflos, und das hassen sie.«
Ich liebte es auch nicht gerade, verzichtete aber auf einen entsprechenden Hinweis, denn Marco war richtig in Fahrt.
»Und die meisten von ihnen haben das hier für Urlaub gehalten. Ein Trip nach Vegas, Unterbringung in einem Luxushotel, und sie mussten nur auf die Freundin des Herrn und Meisters aufpassen. Was die meiste Zeit über bedeutete, ihre Einkaufstüten zu tragen und gefragt zu werden, welche Schuhfarbe am besten zur Handtasche passt, alles klar?«
Ich runzelte die Stirn. Nein, es war nicht alles klar. Ihr Herr und meine bessere Hälfte war sehr zurückhaltend in Bezug auf seine romantische Vergangenheit. Ich wusste, dass es ihm nicht an Erfahrung mangelte – was im Alter von fünfhundert Jahren auch recht schwer gewesen wäre –, aber viele Details kannte ich nicht. Eigentlich kannte ich sogar gar keine und hatte nur den einen oder anderen Verdacht, bei dem ich richtigliegen konnte oder auch nicht.
Aus irgendeinem Grund war es mir nie in den Sinn gekommen, Marco zu fragen. Es fiel mir jetzt ein.
»Es hört sich an, als hätten Sie diese Aufgabe nicht zum ersten Mal.«
»Das meinte ich nicht.«
»Habe ich recht? Sind Sie schon einmal mit so etwas beauftragt gewesen?« Die Vorstellung, nur eine weitere Frau von vielen zu sein, bei der Marco den Babysitter spielen musste – bis sie so alt wurden, dass sie die Aufmerksamkeit ihres immer wie dreißig aussehenden Freunds verloren –, gefiel mir nicht sonderlich. Ich fand sie ziemlich beunruhigend.
»Normalerweise werde ich nicht als Leibwächter eingesetzt«, sagte Marco ausweichend.
»Aber Sie haben viel gesehen.«
»Ja.«
»Wie viele Freundinnen hatte Mircea?«, fragte ich geradeheraus.
Marco seufzte. »Das möchten Sie nicht wissen.«
»Doch, ich denke schon.«
»Vielleicht sollten Sie ihn selbst fragen«, sagte Marco.
»Er ist nicht hier, im Gegensatz zu Ihnen.« Angesichts des Umstands, dass Marco ganz offensichtlich nicht darüber reden wollte, fragte ich mich, mit welchen Zahlen wir es hier zu tun hatten. »Ich meine, wie viele können es gewesen sein?«, überlegte ich laut. »Fünf, zehn?«
Marco schwieg.
»Zwanzig?«, fragte ich, und dabei klang meine Stimme ein wenig schrill.
»Ich hab's vergessen«, behauptete Marco, und dann stach er mir in den Hintern.
»Au!«
»Möchten Sie noch einen Drink?«, fragte er, als ein Vampir mit einem Tablett hereinkam, auf dem eine Karaffe stand.
»Ich möchte, dass Sie damit aufhören, in meiner Kehrseite herumzustochern!«
Marco hielt mir etwas vor die Augen. »Sehen Sie das hier? Es ist eine Pinzette.
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