Verlockend untot
bedeutete mir nichts, abgesehen davon, dass uns meine Mutter bei unserem letzten kleinen Trip durch die Zeit hier abgehängt hatte. Und jetzt waren wir aus irgendeinem Grund zurückgekehrt.
Und sie ebenfalls, nach der viktorianischen Kutsche zu urteilen, die seitlich auf einer Fahrbahn lag und einen ziemlich großen Stau verursachte.
Das Pferd war noch angespannt, zerrte am Geschirr und stieg immer wieder auf die Hinterläufe, während hinter ihm Rauch vom ausgebrannten Wrack aufstieg. In mir krampfte sich etwas zusammen, und den Grund dafür verstand ich nicht. Ich lebte noch, was bedeutete, dass auch meine Mutter am Leben sein musste. Doch in der schnell größer werdenden Menschenmenge sah ich weder sie noch den Kidnapper.
Mircea hingegen schien etwas bemerkt zu haben, denn er nahm meine Hand und lief los.
»Ich glaube, ich habe einen Schuh im Taxi zurückgelassen«, sagte ich und versuchte, mit Mircea Schritt zu halten, als wir uns mit halsbrecherischer Geschwindigkeit einen Weg durch eine menschliche Hindernisstrecke bahnten.
»Wenn man daran denkt, wie oft dir das passiert… Vielleicht solltest du Knöchelriemen verwenden.«
»Die sind gefährlich.«
Mircea warf einen ungläubigen Blick über die Schulter. »So etwas hältst du für gefährlich?«
»Man kann sich den Fuß brechen.«
»Und das wollen wir natürlich nicht«, sagte er und hob mich hoch, als wir den Eingang einer U-Bahn-Station erreichten.
Ich sah mich um, als uns Londons warmer Untergrund ver-schlang, sah aber nur viele in Mäntel gehüllte Gestalten, die es alle sehr eilig hatten. Ein Paar in dieser dicht gedrängten Menge zu finden, die von einer Mauer bis zur anderen reichte, wäre selbst unter normalen Umständen schwer gewesen. Aber während sich einem spitze Ellenbogen in die Seiten bohrten, man von geplagten Müttern angerempelt wurde und über hyperaktive Kinder zu stolpern drohte, war das praktisch unmöglich.
»Ich bin nicht groß genug«, sagte ich, was Mircea veranlasste, mich auf eine starke Schulter zu heben. Ich stützte mich mit der einen Hand an einer schmutzigen Wand ab und hielt nach einer großen Frau in einem metallisch blauen Abendkleid Ausschau. Der Smoking des Magiers fiel in dem dunklen Einerlei nicht auf, aber jene besondere Farbe konnte kaum zu übersehen sein.
Allerdings schien ich sie zu übersehen, denn ich konnte sie nirgends erkennen.
»Sind sie erneut gesprungen?«, fragte Mircea, als mein verzweifelter Blick über die Menge strich.
»Nein, das hätte ich gefühlt.«
»Bist du sicher?«
»Sie ist die Erbin, aber ich bin die Pythia. Ja, ich bin sicher.«
Und einen Moment später sah ich sie, in einen schäbigen braunen Mantel gehüllt, der nicht ganz lang genug war, um auch den Saum des blau schimmernden Kleids zu verbergen. Der Magier befand sich neben ihr, eine schlaksige Gestalt in einem hellbraunen Trenchcoat, der seine schwarze Kleidung versteckte, aber es war der richtige Bursche. Ich sah ihn deudich, als er sich vom Kartenschalter abwandte, mit so etwas wie Panik im Gesicht und dem verdammten Koffer in der Hand. Und dann zog er die Entführte wieder in die Menge und durch einen Korridor.
Ich sprang zu Boden, und wir nahmen die Verfolgung auf. Mircea hob mich über Drehkreuze hinweg und übernahm dann die Führung, um einen Weg für uns zu bahnen. Selbst dadurch kamen wir nicht unbedingt leicht voran, aber die Leute machten ihm eher Platz und traten mir nur ungefähr zehnmal auf die ungeschützten Zehen, bevor ich hinter Mircea auf einen Bahnsteig humpelte. Und verwirrt stehen blieb.
Etwa drei Dutzend Personen saßen auf Bänken oder lehnten an den Wänden, während sie auf den nächsten Zug warteten. Ein schneller Blick zeigte mir, dass die beiden nicht zu ihnen gehörten.
»Sie sind nicht gesprungen«, sagte ich und rümpfte die Nase, als ich den Geruch von Marihuana und Schweiß wahrnahm.
Er kam von einem Straßenmusikanten, der jede Menge Perlen und Wildleder trug, am Rand des Bahnsteigs stand und seine Version von »Proud Mary« spielte. Bis Mircea ihm einen Geldschein in die Hand drückte. »Frau in einem braunen Mantel und blauem Kleid, Mann in einem Trenchcoat. Wohin sind sie gegangen?«
Ich wollte gegen die Bestechung protestieren, nicht aus Prinzip, sondern weil selbst kleine Dinge die Zeitlinie gehörig durcheinanderbringen konnten. Und in dieser Ära hatte es schon genug Veränderungen gegeben. Aber dann lächelte der Hippie das glückliche Lächeln des Bekifften und deutete
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