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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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sehen.
    Ironischerweise sollte genau das mein Job sein, das Morgen zu sehen.
    »Es ist eine Formalität«, sagte Pritkin und beobachtete mein Gesicht. »Du bist die Pythia seit dem Tod deiner Vorgängerin.«
    »Eigentlich, ja. Aber bisher hatte ich noch nichts zu tun, oder?«
    Pritkin runzelte die Stirn. »Du hattest noch nichts zu tun?«
    »Du weißt schon. Nichts Wichtiges.«
    »Du hast einen Gott getötet!«
    Ich verdrehte die Augen. »Bei dir klingt es so, als hätte ich mich mit ihm duelliert oder so. Aber du weißt genau, dass wir ihn eine metaphysische Toilette hinuntergespült haben.«
    Pritkin zuckte mit den Schultern. »Tot ist tot.«
    Er neigte bei diesen Dingen zu einer sehr praktischen Denkweise.
    Wie auch ich, wenn das fragliche Geschöpf eine Politik der verbrannten Erde plante, im wahrsten Sinne des Wortes, beginnend bei mir. Aber darum ging es nicht. »Ich meine, niemand hat von mir erwartet, dass ich etwas als Pythia tue«, erklärte ich. »Doch jetzt steht die Krönung bevor, und wenn sie vorbei ist… Himmel, ich kann nicht einmal einen verdammten Apfel altern lassen!«
    Ich versuchte aufzustehen, aber Pritkins Hand schloss sich fester um meinen Fuß. Ich wollte umhergehen, mir Bewegung verschaffen und etwas von der nervösen Energie loswerden, die mich wach hielt und mir den Appetit verdarb. Und als ich gedacht hatte, dass ich paranoid war und dass alles gut würde, versuchte irgendetwas, mich in der verdammten Badewanne zu ertränken.
    Ich stand nicht auf. Weil ich dadurch die kleine menschliche Verbindung verloren hätte. Eine Verbindung, die eigentlich gar nicht existieren sollte, denn Pritkin war nicht der gefühlsbetonte Typ. Er berührte mich bei der Ausbildung, wenn er musste, und er packte mich, wenn's drunter und drüber ging. Aber ich konnte mich nicht daran erinnern, dass er mich einfach nur so berührt hatte.
    Ich sank zurück in den Sessel. Der verdammte Balkon bot ohnehin nicht genug Platz für eine unruhige Wanderung.
    »Und doch … Von Jonas habe ich gehört, dass du mit größerem Eifer springst, als es Lady Phemonoe je getan hat«, sagte Pritkin und nannte Agnes' Herrschaftstitel. »Und die Macht ist die Macht. Wenn du sie für eine Anwendung nutzen kannst, so ist es nur logisch anzunehmen …«
    »So funktioniert das nicht. Zumindest nicht bei mir.«
    »Du bist erst seit einem Monat Pythia, und die meisten Erbinnen …«
    »Bereiten sich über Jahre hinweg auf ihr Amt vor! Das ist es ja gerade. Ich habe das Gefühl, nicht vorbereitet zu sein. Und selbst wenn ich es wäre … Niemand würde auf mich hören.«
    »Warum denn nicht? Du bist die Pythia.«
    »Nein, ich bin eine Art… Trophäe, um die man sich streitet. So behandelt man mich jedenfalls. Wenn ich also eine Vision bekäme, wenn ich etwas Nützliches oder Wichtiges sähe … Wer zum Teufel würde mir Beachtung schenken?«
    »Die Gegner, ganz offensichtlich. Sie scheinen darauf zu bestehen, dir ziemlich viel Beachtung zu schenken.«
    »Das habe ich bemerkt.«
    »Und du findest das nicht seltsam? Wenn du so machdos bist?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Ich bin trotzdem die Pythia. Mich zu töten …«
    »Würde was bedeuten?«, fragte Pritkin. »Angenommen, deine Gegner hätten heute Abend Erfolg gehabt. Was hätten sie dadurch gewonnen? Wenn du stirbst, geht die Macht auf einen anderen Wirt über, vermutlich auf eine der Eingeweihten. Davon hätten deine Gegner nichts; sie könnten sogar einen Verlust darin sehen. Was den derzeitigen Entwicklungsstand betrifft, sind die Eingeweihten vermutlich besser ausgebildet.«
    »Herzlichen Dank«, sagte ich, obwohl es der Wahrheit entsprach.
    »Die Frage bleibt also: warum du?« Pritkin lehnte sich mit einer Art zufriedenen Dringlichkeit zurück, die er bei wichtigen Debatten oft zeigte. Ich versuchte, es nicht persönlich zu nehmen. Pritkin debattierte – stritt – eben gern. »Warum konzentriert man sich noch immer auf dich?«
    »Warum waren sie die letzten beiden Monate hinter mir her?«, erwiderte ich.»Apollo…«
    »War auf dich fixiert, ja. Aber ihm blieb keine Wahl. Er wollte deinen Pentagramm-Schutzzauber als direkte Verbindung zu deiner Macht benutzen. Nur auf diese Weise hätte er die Barriere durchdringen und Rache an jenen üben können, die ihn verbannt hatten.«
    Unbewusst rollte ich die Schultern und streckte die Haut zwischen den Schulterblättern, wo sich der von meiner Mutter stammende Zauber befunden hatte. Das tellergroße Ding war nie besonders hübsch

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