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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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ist es! Es ist wirklich sehr, sehr kompliziert, und das weißt du auch, und …«
    Er unterbrach mich, indem er mir beide Hände rechts und links aufs Gesicht legte. »Wann sind wir?«
    »Was?«
    »Das Jahr.«
    Ich runzelte die Stirn. Meine Macht rührte sich ein bisschen, träge und erschöpft, und nannte mir das Datum. »Neunzehnhundertsechsundneunzig.«
    »Was bedeutet, du bist noch gar nicht geboren, oder?«
    Ich nickte.
    »Wir sind uns noch nicht begegnet, habe ich recht?«
    »Nein. Es sei denn, man berücksichtigt…«
    »Cassie.«
    »Nein, wir sind uns noch nicht begegnet. Nicht in dem Sinne. Worauf willst du hinaus?«
    »Auf das: Nichts von dem, was in dieser Nacht geschieht oder nicht geschieht wird irgendetwas mit unserer Beziehung nach der Rückkehr zu tun haben. Es wird keine Konsequenzen geben, keine Verwicklungen. Stell es dir als … eine Nacht außerhalb der Zeit vor.«
    »Eine Nacht außerhalb der Zeit?«, wiederholte ich skeptisch, denn so etwas bekam ich nicht. Die Zeit löste keine Probleme, sondern bereitete mir welche; eine Nacht bildete da keine Ausnahme.
    Mircea lehnte seine Stirn an meine. »Eine Nacht außerhalb der Zeit.«
    Ich befeuchtete mir die Lippen und dachte darüber nach. »Die Bediensteten werden mich sehen.«
    »Und wenn ich dafür sorge, dass sie dich nicht sehen?«
    Ich schaute ihn an, was ein Fehler war, denn er grinste wie der kleine Junge, den er nie in der Öffentlichkeit zeigte, weil er sein Image als großes, böses Mitglied des Vampirsenats ruinieren würde.
    »Nur das Essen«, hörte ich mich sagen, bevor ich mir auf die Zunge beißen konnte.
    »Nur das Essen«, bestätigte Mircea sanft und strich mit den Daumen über meine Wangenknochen.
    Und dann ließ er mich los.

Dreizehn
    Das Badezimmer der Suite erwies sich als ebenso eindrucksvoll wie der Rest. Goldener Marmor mit dünnen Adern gebrannter Umbra bedeckte alles, vom Boden bis zur Decke, auch die beiden Waschbecken und die geradezu riesige Wanne, und alles war auf Hochglanz poliert. Ein dicker orangefarbener Läufer lag auf dem Boden, und die Handtücher waren farblich darauf abgestimmt. Hinzu kam ein Korb mit Toilettenartikeln, alle in Zellophan gehüllt, wie gerade vom Osterhasen gebracht.
    Und dann die Spiegel. Davon gab es jede Menge.
    Fast jede Fläche, die keinen teuren Marmor zur Schau stellte, hatte einen Spiegel, und sie alle teilten mir mit, dass ich schrecklich aussah. Mein Make-up war längst weg und das Haar völlig zerzaust.
    Dreck und andere Dinge, die ich mir nicht zu genau ansehen wollte, klebten an meinem Körper. Ich seufzte und streifte mir die zerrissenen Reste der alles andere als billigen Strümpfe von den schmutzigen Füßen. Der Nagellack war hinüber, und die Zehen sahen aus wie über ein raues Kopfsteinpflaster gezogen.
    Ich betrachtete sie kummervoll und seufzte. Eines Tages – eines guten, fernen Tages – würde ich einmal in Gefahr geraten, während ich Turnschuhe trug. Noch lieber wäre es mir natürlich gewesen, überhaupt nicht in Gefahr zu geraten.
    Überhaupt nicht in Gefahr zu sein, das wäre wirklich nicht schlecht gewesen.
    Ich nahm einige sündhaft weiche Handtücher und brachte mein schmutziges, lädiertes Ich unter die Dusche. Ich versuchte nicht einmal, in die Wanne zu steigen, denn von all dem Dreck an mir wäre das Wasser sofort schwarz geworden – solche Spuren hätte die Unterhaltung dieses Abends an mir hinterlassen.
    Als ich sauber genug war, um sicher zu sein, dass es sich bei dem Rest an mir nicht um Schmutz handelte, begann ich mit einer Bestandsaufnahme. Ich hatte eine Schwellung am Fußknöchel und eine weitere an der Hüfte, außerdem einen schnell dunkler und dicker werdenden Striemen am Bauch, wahrscheinlich vom Aufprall auf die verdammte Kutsche. Man füge das den blauen Flecken hinzu, die auf den Badewannen-Zwischenfall zurückgingen. O ja, damit sah ich wirklich sexy aus.
    Was keineswegs bedeuten sollte, dass ich mich nicht darüber gefreut hätte, noch am Leben zu sein, in welchem Zustand auch immer. Ich verstand nur nicht ganz, warum ich noch lebte. Insbesondere wenn Mircea mit seiner Theorie bezüglich unserer Gegner recht hatte.
    Es hatte sich zunächst verrückt angehört, denn Halbgötter waren nicht unbedingt dicht gesät. Die Götter – beziehungsweise die Geschöpfe, die sich so genannt hatten – waren vor langer Zeit von der Erde verbannt worden, und die meisten ihrer mit Menschen gezeugten Nachkommen hatten sie entweder ins Exil begleitet

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