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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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oder waren vom Kreis zusammengetrieben worden. Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, warum einige Halbgötter an meiner Mutter interessiert sein sollten.
    Aber als ich jetzt darüber nachdachte, erklärte es eine Menge.
    Zum Beispiel die Widerstandskraft und Zähigkeit der Magier, die auf Schilde verzichtet und sich sofort von Schlägen erholt hatten, die sie eigentlich zu Flecken an Mauern hätten machen sollen. Und warum sie so stark gewesen waren.
    Pritkin hatte mir einmal gesagt, dass Kriegsmagier nie hundert Prozent ihrer Kraft für den Angriff nutzten. Im Kampf lag die Stan-dardquote bei siebzig-dreißig. Mit anderen Worten: Siebzig Prozent der Kraft eines Magiers gingen in die Verteidigung – in die Schilde und Zauber, die nötig waren, um den Betreffenden oder die Betreffende am Leben zu erhalten —, und die restlichen dreißig Prozent wurden für offensive Zwecke verwendet. Besonders mächtige Magier konnten etwas mehr für Angriffe abzweigen und den Prozentsatz für die Verteidigung auf fünfundsechzig oder sogar sechzig senken, weil ihnen mehr Kraft zur Verfügung stand. Aber Magier gingen nicht ungeschützt in einen Kampf, denn es hätte bedeutet, dass der erste gegnerische Zauber sie außer Gefecht setzte, und zwar für immer.
    Pritkin nutzte nur ein Viertel seiner Kraft für die Verteidigung, was er dem Kreis gegenüber allerdings nicht zugab. Aber was, wenn jemand ohne einen magischen Schild mit dem Äquivalent eines Achselzuckens darüber hinweggehen konnte, von einem Pferd niedergetrampelt, an eine Mauer geschleudert oder Dutzende von Metern über eine Straße geschleift zu werden? In der Lage zu sein, die gesamte Kraft auf den Angriff zu konzentrieren … Das hätte selbst einen einfachen, nicht besonders talentierten Magier zu einem beeindruckenden Kämpfer gemacht. Und wenn er oder sie ohnehin schon recht stark war…
    Ein derartiger Magier könnte wie das sein, mit dem ich es zu tun bekommen hatte. Aber so plausibel das auch klang, die Sache hatte einen Haken. Meine Mutter konnte unmöglich ganz allein gegen vier Halbgötter und einen irren Kidnapper gekämpft haben.
    Oder?
    Es erschien mir absurd. Andererseits, wenn die Antwort Nein lautete, warum war ich dann noch hier? Wenn die Magier sie getötet hätten oder wenn sie vom Entfuhrer verschleppt worden wäre, wenn irgendetwas sie daran gehindert hätte, meinen verrufenen Vater ken-nenzulernen … Dann wäre ich nicht mehr dagewesen. Doch ich existierte noch, da war ich mir ziemlich sicher.
    Alles lief auf… eine Art Offenbarung hinaus. Die ganze verdammte Nacht. Denn ich hatte nie zuvor gesehen, wie die Macht einer Pythia auf solche Weise Anwendung fand. Um ganz ehrlich zu sein: Ich hatte sie überhaupt nur selten angewendet gesehen, was einer der Gründe dafür war, wieso mir der Umgang damit so schwerfiel.
    Jonas gab sich alle Mühe, mir zu helfen, aber er war keine Pythia.
    Er hatte Agnes bei der Ausbildung ihrer Erbinnen beobachtet und gesehen, wozu sie imstande war. Aber zu versuchen, mit seiner Hilfe die Zeit zu kontrollieren, hatte dem Bemühen geähnelt, einen Wagen zu bauen, ohne jemals einen gesehen zu haben, und auf der Grundlage mündlicher Anweisungen von jemandem, der nur vage Vor-stellungen davon hatte, wie einer aussehen musste.
    Ich war wie eine Blinde gewesen, die sich einen ganzen Monat von einem Blinden hatte führen lassen.
    Ich war so verärgert und frustriert gewesen, dass ich mit dem Gedanken gespielt hatte, mich an den Pythia-Hof zu wenden. Aber ich hatte mich schließlich dagegenentschieden, und nicht zuletzt deshalb, weil einer von ihnen bestrebt gewesen war, mich umzubringen.
    Vermutlich waren sie nicht alle gemeingefährliche Irre, aber ich bezweifelte, dass ich große Popularität bei einer Gruppe genoss, deren Karrierechancen gleich null waren, solange ich lebte.
    Was vielleicht erklärte, warum ich seit einem Monat kaum etwas von ihnen gehört hatte. Keine einzige Gratulation, wie unaufrichtig auch immer. Nicht ein »Zum Teufel mir dir!«, keinen Pieps. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, aber es war mehr als nur ein bisschen verdächtig. Und Jonas hatte mich nicht eingeladen, auf ein kleines Schwätzchen vorbeizukommen.
    Ich war also auf mich allein gestellt.
    Als ob das was Neues wäre.
    Und dann dieser verdammte Abend. So ein Mist.
    Irgendwie hatte ich mich daran gewöhnt, in meiner Macht vor allem ein Mittel zur Verteidigung zu sehen. Ich sprang, wenn ich in die Klemme geriet; ich warf

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