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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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hatten. Aber es war dunkel gewesen, und meine Erleichterung so groß, und Mircea … Nun, Mircea konnte eine Frau dazu bringen, ihren eigenen Namen zu vergessen, wenn er sich ein bisschen Mühe gab. Aber das war ganz etwas anderes, als barfuß bis an den Hals hinauszugehen, schrumpelig und voller blauer Flecken…
    Verdammt. Wie hatte ich mich nur in eine solche Lage bringen können?
    Ich biss mir auf die Lippe, starrte zur Tür und dachte daran, dass ich nicht nackt hinausgehen musste. Mircea mochte enttäuscht sein, aber er würde es überstehen, und ich konnte sagen…
    Was? Dass ich ein verdammter Feigling war? Dass ich wusste, mit all seinen anderen Frauen – all den vielen – nicht mithalten zu können? Dass die meisten von ihnen zu den größten Schönheiten der Welt zählten, während mir der Nagellack von den Zehen blätterte, mein Haar einem Rattennest glich und der Körper den Eindruck erweckte, als Punchingball benutzt worden zu sein? Dass mir Make-up fehlte, war in diesem Zusammenhang nur eine kleine Zugabe.
    Ich versuchte, mir das Haar zu bürsten, während ich mit mir selbst rang. Na schön, na schön, es ließ sich nicht leugnen, dass ich nicht unbedingt in Bestform war. Aber ganz ehrlich, selbst auf Hochglanz poliert hätte ich vom Aussehen her kaum mit einem Porzellanpüppchen wie Ming-de konkurrieren können. Oder mit der Grace-Kelly-Variante, die ich gesehen hatte, als ich einmal mit Mircea im Theater gewesen war. Oder mit der dunkeläugigen Gräfin, die bereit gewesen war, sich um ihn zu duellieren. Oder mit der sport-lichen Brünetten mit den großen Titten, die er in seinem komischen Fotoalbum gehabt hatte, das einem Unfall zum Opfer gefallen war, und ach, war das nicht überaus bedauerlich?
    Tja. Mehr zu bieten hatte ich eben nicht, und dass ich ein bisschen lädiert war, ließ sich nicht ändern. In der Limousine war es dunkel gewesen, was für einen Vampir allerdings kaum eine Rolle spielte, und er schien mich für attraktiv genug gehalten zu haben.
    Und hey, jetzt war ich wenigstens sauber.
    Ich legte den Bademantel beiseite und sah erneut zur Tür. Mir war kalt, und ich fühlte mich sehr, sehr nackt. Ultranackt sozusagen.
    Was ich für dumm hielt, denn nackt war nackt und basta! Man konnte nicht nackter sein als nackt.
    Ich streckte die Hand nach dem Türknauf aus und fühlte, wie meine Nervosität schlagartig zunahm. Ich begann zu zittern, drehte den Knauf nur ein wenig, und …
    Und zog die Hand zurück.
    Wie oft bekommst du eine Freikarte?,
dachte der weniger feige Teil meines Gehirns. Ich antwortete nicht, denn mit sich selbst zu reden kam dem schaurigen Teil des Verrücktseins etwas zu nahe, und ich fühlte mich dem Wahnsinn ohnehin schon bedrohlich nahe. Aber ich kannte die Antwort. Wenn ich jetzt einen Rückzieher machte, wenn ich meiner Feigheit nachgab, würde ich es später bereuen.
    Vielleicht nicht sofort, aber bald, und es gab schon genug Dinge, die ich bedauerte. In dieser Nacht wollte ich
leben.
    Ich legte die Hand wieder auf den Knauf und stellte mir die Sache wie ein Pflaster vor, das von der Haut gezogen werden musste. Man bringe es schnell hinter sich, dann ist das Schlimmste überstanden.
    Bevor ich mich erneut davon abbringen konnte, holte ich tief Luft, drehte den Knauf und öffnete die Tür.
    Und sah mich plötzlich einem Zimmer voller Vampire gegenüber.
    Der kleine dicke Hotelmanager – oder was auch immer er war - stand beim Kamin, zusammen mit Mircea und einigen Typen, die wie Kellner gekleidet waren. Ein weiterer Kellner-Bursche rollte gerade einen Servierwagen hinaus, und natürlich drehte er sich um, weil er feststellen wollte, was es mit der plötzlichen Unruhe auf sich hatte. Zweifellos bekam er einen guten Blick auf mich, obwohl das Licht im Raum eher schwach war – es kam von einigen kleinen Lampen in den Ecken und aus dem Badezimmer, in dessen Tür ich stand.
    Ich fühlte mich wie Gypsy Rose Lee im Scheinwerferlicht.
    Für einen Moment starrte ich sie alle an, und sie starrten zurück, und es kam mir vor wie bei Agnes' Party, als alles in der Zeit erstarrt gewesen war. Nichts bewegte sich, abgesehen von den Flammen im Kamin. Und dann schrie ich, und die Lähmung hörte auf.
    Einer der Vampire zuckte zusammen, ein anderer grinste, und Mircea streckte die Hand aus. Und ich weiß nicht, was dann geschah, weil ich herumwirbelte, ins Bad zurückrannte und die Tür hinter mir zuwarf.
    O Gott. O Gott, o Gott, o Gott.
    Was für ein schrecklicher Abend!

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