Verlockend untot
und Wo Bescheid wissen, und er erwartet die Antworten von mir.« Ich hob die von Schokolade fleckigen Hände. »Ich soll sie ihm irgendwie beschaffen. Haben Sie eine Ahnung, wie ich das anstellen könnte?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.«
»Und deshalb sitzen Sie stattdessen hier und stopfen Süßes in sich hinein.«
»Schokolade.«
»Und das ist etwas anderes.«
»Süßes ist einfach nur Süßes. Schokolade ist Therapie.«
»Haben Sie was für heute Nachmittag vor?«
»Noch mehr Schokolade essen.«
Marco schüttelte den Kopf. »Sie sollten sich von dem alten Knaben nicht kirre machen lassen. Der ist plemplem.«
»Ja.« Ich gewöhnte mich allmählich an Marcos Denkweise.
»Wo ist er überhaupt hin?«
»Nach Hause.« Oder wohin auch immer er verschwand, wenn er mir nicht auf den Keks ging.
»Und der Magier?«
»Ebenso.« Pritkin hatte zumindest gesagt, dass er zu seinem Zimmer wollte. Ich hatte beschlossen, ihm zu glauben, denn wenn ich ihn bei einem kurzen Sprung dorthin nicht vorgefunden hätte, wäre ich ausgerastet, und ich war ohnehin schon nahe dran.
»Na schön, ich gehe ins Bett«, verkündete Marco, legte große Hände auf den Tisch und stemmte sich hoch. Er hätte keine Hilfe benötigt, nicht mal am helllichten Tag, aber Vamps spielten gern den Märtyrer, wenn sie nach Sonnenaufgang noch auf den Beinen sein mussten.
»Wollten Sie nicht schon vor einer Stunde zu Bett gehen?«
»Dachte mir, dass es besser ist zu warten, bis alle weg sind.«
Ich verdrehte die Augen. Klar. Immerhin hätten Jonas oder Pritkin plötzlich beschließen können, mir ein Hackebeil in den Kopf zu rammen.
Marco fuhr mir durchs Haar und ging. In der zweiten Schicht der Konfektschachtel fand ich ein halb verstecktes Stück mit Kokosnusscreme und saugte die Innereien heraus. Allmählich sah alles besser aus.
Und Marco hatte vermutlich recht, wenn er meinte, dass ich Jonas keine zu große Beachtung schenken sollte. Im einen Moment behauptete er zu wissen, dass Visionen nicht herbeibefohlen werden konnten, und im nächsten erwartete er genau das. Ich sollte ihm Artemis auf dem silbernen Tablett servieren, mit nichts in der Hand, abgesehen von einem Namen, der vielleicht nicht einmal der richtige war.
Ich hatte zu erklären versucht, wie schwer das war. Schwer im Sinne von kaum zu schaffen. Beziehungsweise so gut wie unmöglich.
Aber Jonas hatte einfach nur geantwortet, mir fiele schon etwas ein.
Oh, klar.
Um jemanden zu finden, brauchte ich zumindest ein Foto, vorzugsweise eins, das die betreffende Person berührt oder das ihr gehört hätte. Ein Trip zum letzten bekannten Wohnort wäre noch besser gewesen. Und selbst dann … Ich war kein verdammter Spürhund.
Vielleicht bekam ich das eine oder andere Bild, vielleicht auch nicht.
Aber unter den gegenwärtigen Umständen…
Nein und noch einmal nein. Selbst angenommen, dass Artemis tatsächlich existierte, und angenommen, dass sie eine Person war und keine Metapher, und weiter angenommen, dass Jonas dies alles in seinem brillanten, aber auch schrulligen Kopf nicht einfach nur passend zurechtgebogen hatte – die Antwort lautete trotzdem Nein. Es gab keine Fotos, keine Gegenstände aus ihrem persönlichen Besitz, und seit ungefähr dreitausend Jahren hatte sie sich nicht mehr an ihrem letzten bekannten Wohnort aufgehalten.
Was keineswegs bedeutete, dass ich es nicht versuchen würde, denn zum Teufel auch. Mein Rekord für Visionen-auf-Abruf war nicht besonders gut, aber Jonas war so hoffnungsvoll gewesen, dass ich es nicht über mich gebracht hatte, ihn daraufhinzuweisen.
Er würde es schon bald merken.
Ich lehnte mich zurück und hörte, wie mein eigener Stuhl knarrte.
Vermutlich kein gutes Zeichen. Vielleicht wäre es besser gewesen, auf weitere Creme-Stücke zu verzichten. Wenn es noch welche gegeben hätte.
Ich rieb mir das Gesicht mit den Händen und fühlte mich von all dem Zucker ein wenig benommen. Vielleicht hätte ich tatsächlich eine richtige Mahlzeit bestellen sollen. Das Telefon stand auf der Arbeitsplatte, nur anderthalb Meter entfernt, aber die Entfernung schien irgendwie viel größer zu sein. Ich seufzte erneut und folgte Marcos Beispiel, legte die Hände auf den Tisch, stemmte mich hoch…
Aber die Reise ging in die andere Richtung. Alles drehte sich um mich herum, die Beine gaben unter mir nach, und ich fiel wie ein Stein. Etwas sauste über mich hinweg, als ich auf den Boden prallte, und ein lautes Pochen hallte durch die Küche. Verwundert
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