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Verlockend wie ein Dämon

Verlockend wie ein Dämon

Titel: Verlockend wie ein Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette McCleave
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für den Narren?«
    Siebzehn Jahre auf der Straße hatten ihr beigebracht, niemals Schwäche zu zeigen – stets ihre Angst zu verbergen –, und selbst jetzt, da Azims Blut in ihren Schuhen stand, konnte sie die Maske nicht fallen lassen. Selbst jetzt, da ihr das Herz in der Brust entzweigerissen wurde.
    Doch ihre Teilnahmslosigkeit machte Dhul-Fiqaar rasend. Er schlug sie. So fest, dass sie fast auf die Knie fiel.
    »Gib mir die Kanopen.«
    Lenas Hände zitterten. Die Kanopen bedeuteten nicht nur Geld für sie. Sie standen für Hoffnung und Freiheit – und eine Zukunft für Lily. Wenn sie sie verkaufte, hätte sie genug Geld für drei Fahrscheine auf einem Dampfschiff nach England.
O Gott.
In dem Versuch, wieder klare Sicht zu bekommen, blinzelte sie. Nun brauchten sie nur noch zwei Fahrscheine.
    »Gib mir die Kanopen, oder ich schlage dir die Hände ab und hole sie mir.«
    Lena hätte beinahe den Fehler wiederholt, den sie an jenem Tag gemacht hatte und der sich ihr tief ins Gedächtnis eingegraben hatte – ihm ins Gesicht zu spucken. Aber im letzten Moment fiel ihr ein, dass sie nicht an ihre Taten von vor einem Jahrhundert gebunden war. Dies war nicht das Jahr 1896.
    Sie stieß ihm den Ledertornister in die Hände.
    »Nimm sie – sie gehören dir.«
    Dhul-Fiqaars Lächeln war verzerrt. »Das sieht dir gar nicht ähnlich, Lena. Aber es ist klug.« Er nahm eine ihrer Locken zwischen Zeigefinger und Daumen und rieb sie. »Ich frage mich, ob du auch so schlau sein wirst, dein Schicksal anzunehmen?«
    »Welches Schicksal?«
    Er zuckte die Achseln. »Azim ist tot. Er kann dich nicht mehr beschützen.«
    Lenas Magen schlug einen Salto, und die Gegenwart legte sich über die Vergangenheit. Dhul-Fiqaars Worte waren sowohl eine Warnung als auch ein Versprechen. Vor drei Jahren, als sie gerade in den Ruinen von Karnak nach dem
Buch des Gerichts
suchte, hatte Azim sie vor der Vergewaltigung durch einen ihrer Diebesfreunde gerettet. Er hatte sie unter seine Fittiche genommen, und gemeinsam hatten sie das Buch gesucht und gefunden – obwohl es sich als unmöglich erwies, es aus seiner Umhüllung aus gehärtetem Bitumen zu befreien. Im Laufe der Jahre vertiefte sich ihre Beziehung, und sie wurden ein Paar. Ihr Angreifer bedrohte sie niemals wieder, und der Zwischenfall verblasste zu einer verschwommenen Erinnerung, wie es mit allen Albträumen geschieht. Doch ihr Angreifer – Dhul-Fiqaar – stand nun wieder vor ihr.
    »Du willst mich nicht«, sagte sie und betete stumm.
    »Es ist keine Frage des Wollens, sondern eine Frage des Rechts. Du gehörst jetzt mir.«
    Sie biss sich auf die Lippen. Die Grenzen zwischen Illusion und Wirklichkeit verwischten. Es wurde mit jeder verstreichenden Minute schwerer, die Vergangenheit von der Gegenwart zu trennen. Sie hatte gehofft, dass sie es abwenden könnte, ihren grausamen Tod noch einmal durchleben zu müssen, indem sie ihm die Kanopen gab und ihm nicht ins Gesicht spuckte. Aber Malumos kontrollierte ihre Vision, und er hatte nicht die Absicht, sie leicht davonkommen zu lassen.
    Lenas Blick huschte zu Kaab und Nazr.
    In der Vergangenheit hatten sie sie am Boden festgehalten, während Dhul-Fiqaar sie vergewaltigte. Sie hatten sie verspottet und verhöhnt, während er sie langsam fertigmachte, und sie hatten zugesehen, wie sich ihr Blut im Sand mit Azims Blut vermischte. Aber es waren nicht diese entsetzlichen Misshandlungen, die ihr den Tod gebracht hatten. Sie hatte schon viel schlimmere Verletzungen überlebt, und sie hätte vielleicht weniger gut, aber noch lange weitergelebt. Sie hätte ihren Enkeln als Warnung von ihrem Unglück erzählt. Wenn er nicht den einen Menschen bedroht hätte, der ihr mehr wert war als ihr eigenes Leben – Lily, ihre kleine Tochter. Das hatte in ihr den unkontrollierbaren Wunsch geweckt, sich zu wehren.
    Ihr Blick begegnete dem von Dhul-Fiqaar.
    »Mach mit meinem Körper, was du willst. Ich werde nicht kämpfen.«
    Wieder ein Lächeln, diesmal breiter. »Da soll noch einer sagen, dass du nicht dazulernst, Lena. Du bist so heißblütig wie eh und je, doch die Unbesonnenheit deiner Jugend ist gezähmt. Bravo.«
    In diesem Moment endete die Vision abrupt.
    Der Gestank von Autoabgasen drang in Lenas Nase, und wieder war sie von Mauern umgeben. Hupen, das Gerumpel der Busse und das Geplapper von Millionen Menschen verschluckte die Stille des alten Kairo. Aber der Mann, der vor ihr stand, hörte nicht auf, sie aus seinen schwarzen Augen

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