Verlockend wie ein Dämon
Ich fürchte, ich habe keine Erbschaft im Kreuz.«
»Und trotzdem kannst du dir teure Hotels und Designeranzüge leisten.«
»Ja, das ist witzig. Ich war Börsenmakler, bevor ich gestorben bin. Und kein schlechter.« Sein Lächeln stürzte ab. »Aber seitdem ich tot bin, habe ich eine goldene Nase. Ich habe die Hälfte des Startkapitals, das die Herrin des Todes mir gegeben hat, investiert. Ich habe mit fast nichts angefangen und es in eine hübsche Stange Geld verwandelt. Jetzt scheint es keine Rolle mehr zu spielen, wie viel ich ausgebe – mein finanzielles Polster wird dicker und dicker.«
»Hast du nicht jede Menge verloren, als der Markt zusammengebrochen ist?«, fragte Carlos.
»Nö. Ich habe die richtigen Aktien verkauft.«
»Cool«, erwiderte der junge Wächter bewundernd. »Erinnere mich daran, dich nach ein paar Tipps zu fragen, wenn ich etwas zu investieren habe. Zuerst muss ich wissen, wie du mit der Hälfte des Gehalts überlebt hast.«
»Ich habe ein Jahr lang Katzenfutter gegessen.«
Carlos lachte.
Der Fahrer hupte und scherte knapp vor einem Motorrad wieder ein, auf dem sich die Passagiere stapelten. Einige von ihnen hingen zu beiden Seiten herab. Lenas Schulter drückte an Brians Schulter. Ohne mit der Wimper zu zucken, legte er den Arm um sie und zog sie an seine Brust – nicht zu fest, nur um sicherzugehen, dass sie nicht vom Sitz rutschte.
Es war eine aufmerksame Geste, bei der sie ein schlechtes Gewissen bekam. Und bei der ihr heiß wurde.
»Nach dem Einchecken«, murmelte sie, während sie sich alle Mühe gab, locker zu klingen, »fahren wir ins Finanzviertel. Er hat viele Kontakte dorthin. Vielleicht haben wir ja Glück.« Das Amulett hatte ihr das Bild des Talaat Harb Square gezeigt.
»Ich sage dir doch, wir müssen es uns nicht so schwer machen. Es wird kein Problem sein, ihn zu finden. Wir wenden einen Beschwörungszauber an.«
Bei jeder Kurve, die die Limousine fuhr, machte Lena Bekanntschaft mit den beeindruckenden Einzelheiten von Brians Körper. Der Wagen besaß eine Klimaanlage, aber auch wenn es nicht so gewesen wäre, hätte sie wohl sein Schwitzen genossen. »Brauchst du nicht irgendeine Verbindung zu der betreffenden Person, damit der Zauber wirken kann? Erinnerungen oder persönliche Gegenstände?«
»Doch. Und da kommst du ins Spiel.« Er warf ihr einen neugierigen Blick zu. »Du und dieser Tariq kennt euch schon lange?«
»Vier Jahre.«
»Warum hast du ihm die Münzen anvertraut?«
Sie lächelte. »Ich hab’s dir doch gesagt: Er war mir einen Gefallen schuldig dafür, dass ich ihn außer Landes gebracht hatte.«
»Obwohl du ihn seitdem nicht mehr gesehen hattest?«
»Habe ich das gesagt? Wir machen Geschäfte miteinander.«
Brian runzelte die Stirn. »Was für Geschäfte?«
»Er ist ein Hehler.« Zumindest betätigte er sich jetzt als einer. Bevor er aus Ägypten geflohen war, war er Reyhan Nassers ahnungsloser Partner gewesen. Nasser war ein Waffenhändler übelsten Rufs und unterhielt Verbindungen zu zahlreichen terroristischen Organisationen. »Er sucht Käufer für mich und wickelt die meisten Deals ab. Er hat eine sehr gute Menschenkenntnis.«
»Die sollte man auch haben«, sagte Carlos, »wenn man auf der Straße überleben will.«
Lena musste ihm recht geben.
Tariqs einziger blinder Fleck war sein Cousin Reyhan gewesen. Er hatte zugelassen, dass sein Verwandter ihn auf eine sehr gefährliche Bahn gebracht und in Machenschaften hineingezogen hatte, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließen, als er die Wahrheit erfuhr. Was geschah, nachdem Nasser ins Visier einer Interpol-Spezialeinheit geraten war.
Wieder Hupen und ein weiterer plötzlicher Schwenk.
»Hotel Vier Jahreszeiten«, verkündete der Fahrer und bremste in der geschwungenen Auffahrt eines riesigen, modernen Hotels. Der Nil lag weniger als fünfzehn Meter entfernt. Trauben von Feluken schaukelten sanft auf der Wasseroberfläche, und saftig-grüne Bäume säumten die Straße.
Als das Ausmaß von Nassers Vergehen ans Licht gekommen war, hatte Tariq eine Vereinbarung mit Interpol getroffen und ihnen im Austausch gegen die Freiheit Beweise ausgehändigt, die seinen Cousin belasteten. Leider reichten sie nicht aus, um Nasser zu überführen. Der Waffenhändler spazierte aus dem Gericht und gelobte Vergeltung – und Tariq war gezwungen zu fliehen.
Nassers Rachegelüste gegenüber seinem Cousin waren tief und inbrünstig gewesen – sie schrien nach Blut. Und sie hatten wohl kaum
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