Verlockend wie ein Dämon
anzustarren.
»Da du mir versicherst, dass du dich an unsere Abmachung zu halten gedenkst, werde ich es für den Moment dabei belassen. Aber vergiss diese teuer erkauften Lektionen nicht, Lena. Zu viel Blut ist bereits wegen deiner Selbstsucht geflossen. Lass nicht zu, dass noch jemand getötet wird. Bring mir die Münzen.«
Dann war er fort.
Erleichterung machte sich in ihr breit, und dennoch blickte sie unwillkürlich auf ihre Füße.
Keine Leiche, natürlich. Nur Pflastersteine und eine dünne Schicht Sand, der von der Wüste herangeweht wurde. Doch in einem unregelmäßigen Kreis bis hin zu ihren Stiefelspitzen war der Sand dunkel. Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie kaum noch denken konnte. Sie sank zu Boden, tastete nach dem feuchten Schmutz, spürte seine Kühle und hob die Finger.
Tatsächlich, sie waren rot.
Obwohl sie tief in ihrem Herzen wusste, dass es nicht Azims Blut sein konnte, neigte sie den Kopf. Es gab vieles, was sie bedauerte, aber das gehörte zum Schlimmsten. Ihr Tod an jenem Tag hatte auch bedeutet, dass niemand um ihn trauerte. Niemand hatte seine Leiche gewaschen, hatte sie fürsorglich in Laken gehüllt oder bestattet, wie es sich schickte. Niemand hatte das Hinscheiden eines guten Mannes gewürdigt. Er war einen sinnlosen und einsamen Tod gestorben.
Für sie.
Lena bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und weinte.
Brian trat mit gezogenem Schwert und hämmerndem Puls in die Gasse, zu allem bereit. Zu allem außer dem, was er vorfand.
Lena. Auf den Knien.
Schluchzend.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie allein waren, suchte er an ihr nach äußeren Zeichen einer Verwundung, doch er entdeckte nichts. Keine Verbrennungen, keine Schnittwunden, kein Blut. Nur nasser Sand an ihren Fingern und Tränenfluten, die ihr Gesicht hinabströmten. Dieser Anblick kam so unerwartet, dass er sie für einen Moment nur ungläubig anstarren konnte.
Dann tat er das Einzige, was ihm einfallen wollte – er steckte das Schwert zurück in die Scheide, ließ sich neben ihr nieder und zog sie an seine Brust. Obwohl er unbedingt wissen wollte, was passiert war, hielt er ausnahmsweise seine Zunge im Zaum. In dem Moment, als er Lena in die Arme schloss, vergrub sie ihr Gesicht an seinem Hals und schluchzte noch heftiger.
Es war ein seltsames Gefühl.
Einerseits erschreckte ihn ihr Weinen. Dies war doch Lena! Die zähe, kaltblütige Lena, die ihm einen kristallenen Briefbeschwerer über den Schädel gezogen hatte. Andererseits weckte ihr Weinen Beschützerinstinkte in ihm, von denen er nicht einmal gewusst hatte, dass er sie besaß. In diesem Augenblick hätte er bereitwillig tausend Männern, die bis an die Zähne bewaffnet waren, ins Auge geblickt, nur um Lena vor weiterem Schmerz zu bewahren. Und ihm schwoll die Brust in dem Wissen, dass sie ihn brauchte – wenn auch nur in diesem Moment.
Zu dumm, wirklich.
Aber die rote Nase und die tränennassen Wimpern waren … süß.
Als ihre Schluchzer verklangen, holte er seinen BlackBerry heraus und schrieb Carlos eine SMS . Dann küsste er Lena auf den Scheitel und sagte leise: »Okay, sag’s mir. Wem muss ich die Gedärme herausreißen?«
»Niemandem.« Sie seufzte, und ihr Atem traf schwül auf seine Haut. »Er ist schon tot.«
Brian erstarrte und sah sich noch einmal in der Gasse um. »Du hast den Dämon noch einmal umgebracht?«
»Nein, ich meine –« Noch ein Seufzer. »Egal. Es ist vorbei.«
Brian hätte sie gern länger an sich gedrückt, aber Carlos kam von der Straße die Gasse heraufgelaufen. Das Erstaunen darüber, Lena unverletzt zu sehen, stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Was ist passiert?«
Lena wand sich in Brians Armen. Er ließ sie los und half ihr, aufzustehen. Überraschenderweise wies sie ihn nicht zurück. Sie nahm seine Hand und blieb dicht neben ihm.
»Ein Dämon, den ich noch nie gesehen habe, hat mich aus dem Auto gezerrt«, sagte sie. »Er brachte mich hier in diese Gasse und verschwand. Ein anderer Dämon wartete schon auf mich – einer der drei Hörigen von der Ranch.«
»Sei froh, dass die Lockdämonen Besseres zu tun hatten, als mit dir zu spielen.« Carlos’ Blick wanderte über ihre unversehrte Kleidung. »Dein Schild hat erstaunlich gut gehalten.«
»Er hat mich gar nicht angegriffen.«
»Er wollte nur
reden
?«, fragte Brian ungläubig.
»Er verlangte die Herausgabe der Münzen, und da ich sie ihm nicht geben konnte, wurde er zornig.«
Carlos runzelte die Stirn. »Aber er hat
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