Verlockend wie ein Dämon
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sein hellbraunes Haar hing ihm über die Schultern herab, und sein Bart war seit Ewigkeiten nicht mehr getrimmt worden, aber Emilys Freundinnen fanden ihn scharf.
»Ich bin nicht hier, um über deinen Namen zu diskutieren.«
Emily hatte gerade sagen wollen, dass sie bereit sei, mit ihm nach Hause zu gehen, aber bei seinem aggressiven Tonfall sträubten sich ihr die Nackenhaare. Die Worte kamen ihr über die Lippen, noch bevor sie richtig darüber nachdenken konnte. »Dann solltest du vielleicht wieder heimfahren.«
Äußerlich veränderte sich nichts an Murdochs Haltung. Aber Em spürte, dass er innerlich kurz vor dem Explodieren war. Ein Minitornado wütete in seinen Eingeweiden, noch unter Kontrolle, aber schon darum kämpfend, losbrechen zu dürfen. »Es wäre klug von dir«, sagte er leise, »mich nicht auf die Probe zu stellen.«
Em wurde klar, dass sie eine Grenze überschritten hatte, und seufzte. »Was willst du, Murdoch? Wie du siehst, ist mir nichts Schlimmes passiert. Ich bin weder verletzt noch tot. Ich bin gesund und munter und mit meinen Freundinnen zusammen.«
»Oh, das sehe ich, wunderbar«, gab er zurück. »Was ich allerdings nicht sehe, ist eine SMS , die mir sagt, wo du dich aufhältst und wann du nach Hause kommst. Die Art von Höflichkeit, die ich von einer verantwortungsbewussten Erwachsenen erwarten würde.«
Das saß. »Wenn ich dir gesagt hätte, dass ich shoppen gehen will, hättest du es mir verboten.«
»Wie kannst du dir so sicher sein, wenn du nicht gefragt hast?«
»Ich habe schon mal gefragt.« Ihre Handtasche glitt von ihrer Schulter, sie schob sie zurück. »Und die Antwort lautet immer Nein. Wenn’s nach dir und Lachlan geht, muss ich gleich nach der Schule nach Hause kommen. Aber ich habe
Verpflichtungen
.«
»Die hast du«, stimmte er ihr zu. Offenbar entging ihm, was sie meinte.
»Ich will doch nur ein paar Stunden für mich haben, okay?« Schuldgefühlfreie Zeit.
Er runzelte die Stirn. »Du hast jede Menge Zeit für dich.«
»Ich meine nicht Zeit zum Lernen«, sagte sie und schnaubte frustriert. Warum machte sie sich überhaupt die Mühe, es ihm zu erklären? Niemand verstand ihr Bedürfnis nach etwas Luft zum Atmen. Niemand verstand, wie es war, mit Erwartungen leben zu müssen, die so hoch waren, dass man sie nicht mal begreifen, geschweige denn erfüllen konnte. »Ich meine Zeit zum Rumhängen.«
»Das wäre ein wunderbares Thema gewesen, wenn man es auf der Ranch besprochen hätte«, gab er zurück. »Jetzt ist es nicht mehr von Belang. Wir fahren heim. Am Montag kommen zwölf neue Rekruten an, ich muss mich vorbereiten.«
»Nein.«
Der kleine Tornado in Murdoch wirbelte ein wenig schneller. »Was hast du gesagt?«
Ihre Freundinnen traten unbehaglich von einem Fuß auf den anderen, aber Em gab nicht einen Zentimeter Boden preis. »Ich habe Nein gesagt. Ich fahre nicht heim.«
Murdoch diskutierte nicht länger. Er packte sie mit festem Griff am Ellbogen, jedoch ohne ihr wehzutun. »Verabschiede dich jetzt, oder wir machen es auf die harte Tour. Ich habe kein Problem damit, dich über die Schulter zu werfen und zum Auto zu schleppen.«
Sie glaubte ihm aufs Wort.
»Sorry, Mädels«, sagte sie zu ihren Freundinnen. »Sieht so aus, als müsste ich gehen.«
Als er sicher war, dass Em all ihre Habseligkeiten beisammenhatte, zog Murdoch sie zum Fahrstuhl und dann weiter zum Ausgang des Einkaufszentrums. Seine Wut war zu einem mittleren Sandsturm abgeflaut, aber er gab noch immer den tödlich beleidigten Babysitter. »Wir hatten gerade einen größeren Zusammenstoß mit ein paar Dämonen«, lamentierte er. »Als du nicht mit dem Bus gekommen und auch nicht ans Telefon gegangen bist, bin ich in Panik geraten. Die anderen müssen mich für absolut durchgedreht halten, nach dem, wie ich mich aufgeführt habe. Du kannst von Glück reden, dass es eine Weile gedauert hat, bis ich dich gefunden habe.«
»Wie
hast
du mich denn gefunden?«
»Atheborne konnte auf das GPS in deinem Handy zugreifen.« Murdoch funkelte Em an. »Denk nicht mal dran, es jemals zu Hause zu lassen, oder ich schwöre bei Gott, ich leg dich übers Knie.«
Übers Knie? Machte er Witze? Was war sie – ein Kind?
Warum traute ihr niemand zu, auch nur fünf Minuten allein und ohne Aufsicht überleben zu können? In Gottes Namen, sie war unbesiegbar. Was man nicht denken sollte, so wie jeder ausflippte, wenn es um ihre Sicherheit ging. Jedes Mal, wenn nur der
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