Verlockend wie ein Dämon
leiseste Verdacht bestand, dass Gefahr drohte, schubste man sie herum und versteckte sie irgendwo. Sie wurde nicht besser behandelt als Lena – man sperrte sie in ihrem eigenen Zuhause ein und verfolgte sie überallhin. Das einzig Gute war nur, dass die Überwachung aufhörte, wenn sie wieder auf der Ranch waren. Niemand würde ihr auf dem Anwesen folgen.
Eine Tatsache, die sie sich zunutze machen wollte. Bei der ersten Gelegenheit würde sie abhauen.
Malumos wartete, bis die roten Funkengarben aus dem bewölkten Mitternachtshimmel verglüht waren und einer der beiden bewusstlosen Körper zwischen den Sanddünen taumelnd auf die Beine gekommen war. Ohne hinzusehen, wusste er, dass es sich bei dem Neuankömmling um Maleficus handelte, nicht um Mestitio.
Mit einer Stimme, die leise die Finsternis in den Sanddünen westlich von Assuan durchdrang, fragte Malumos: »Hast du das Buch?«
Sein Bruder nickte, während er die Böschung erklomm. »Es war nicht ganz leicht, es aus dem gehärteten Bitumen zu lösen, der in diesen Teil der Kammer eingedrungen ist, aber – ja, wir haben es wieder.«
»Du hast es nicht zufällig gelesen?«
Maleficus lächelte.
Es war solch ein seltener Anblick, dass Malumos das Lächeln unversehens erwiderte. Endlich, nach einem Jahrtausend des Planens und Suchens und Hoffens gehörte der Sieg ihnen. »Der Zauber steht dort geschrieben, wie du es prophezeit hast.«
Sein Bruder nickte. »Trotzdem – wir sind noch immer nicht am Ziel. Arkane Magie ist kompliziert und will geübt sein. Und dann wäre da noch das kleine Problem, wie wir an die Scherbe des Glorienscheins kommen.«
»Glaub mir, die Scherbe ist unser, sobald wir die Münzen haben.« Malumos blickte von der Düne hinab auf die bewusstlose Gestalt, die im kalten Sand hingestreckt lag. »Was uns zum Problem unseres jüngsten Bruders bringt.«
Maleficus runzelte die Stirn. »Er ist noch nicht wieder da?«
»Nein.« Malumos beließ es dabei.
Malumos blickte zu den Lichtern des Wüstencamps hinüber – einem zusammengewürfelten Haufen aus Lastwagen und Zelten in der Ferne. Ein frischer Wind blies Sand über die Dünen und verzerrte die Sicht. »Wo sind die Münzen?«
Malumos wies auf einen blassen weißen Fleck in der flachen Senke zwischen zwei Dünen. »Da. Im Land Rover bei Tariq Nasser.«
»Was macht er da?«
»Er wartet auf den richtigen Moment. Er hat die Absicht, seinen Cousin anzugreifen und ihn umzubringen.«
»Warum?«
Malumos zuckte die Achseln. Er stand erst seit einigen Minuten auf der Düne, und schon bedeckte Sand sein Gesicht. »Seinen Erinnerungen zufolge, die derzeit extrem lebhaft und gut lesbar sind, hat sein Cousin ihm Rache für ein Unrecht geschworen. Er hat noch eine Rechnung offen.«
»Aha.« Maleficus suchte den Horizont ab. »Und wo ist der Cousin?«
Ärger kochte in Malumos hoch. »Die richtige Frage ist: Wo ist Mestitio?«
»Sollen wir warten oder ohne ihn anfangen?«
»Wir riskieren es nicht, Tariq anzugreifen, wenn wir nicht vollzählig sind. Da die Macht der Münzen auf seiner Seite ist, könnte er sehr gut –« Malumos brach ab, als mehrere Autoscheinwerfer nördlich des Zeltlagers über die Dünen hüpften. Es war ein kleiner Konvoi aus weißen Allradfahrzeugen, auf deren Dachgepäckträgern Kisten festgezurrt waren.
Die Autos fuhren ins Lager und hielten an. Über die Dünen drangen Stimmen und das Geräusch zuschlagender Wagentüren zu ihnen. Gestalten kamen aus den Zelten, sammelten sich um die Fahrzeuge und begannen, die Kisten abzuladen. Malumos war so beansprucht von den Vorgängen dort drüben, dass ihm beinahe entgangen wäre, wie sich der Land Cruiser in Bewegung setzte, auf die nächste Düne fuhr und weiter Richtung Camp.
Wut schwoll in ihm an und brach sich endlich Bahn.
»Zur Hölle!«, fauchte er, während Feuer seine Fingerspitzen erglühen ließ. »Wo ist unser Bruder? Tariq greift das Lager an! Gleich werden Menschen sterben, und das wird im besten Fall Seelenwächter auf den Plan rufen und im schlimmsten Fall Engel. Wenn wir Glück haben, bleiben uns zehn Minuten Zeit, um uns die Münzen zu holen.«
»Wir schlagen zu?«
»Wir haben keine Wahl«, blaffte Malumos und joggte bereits den Hang hinunter auf das Camp zu. Kalter Sand drang in seine Schuhe, aber er ignorierte das unangenehme Gefühl und lief weiter.
Der Land Cruiser erreichte das Lager lange vor ihnen, brach durch einige Zelte und hatte bereits mindestens zwei Männer getötet, bevor er
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