Verlockende Angst
die Trainingsräume des Covenants geschlichen und mit einigen der Halbblüter trainiert. Wahrscheinlich hatten wir nichts als Chaos verursacht, aber ich hatte es genossen, anderen Kämpfern als nur Seth entgegenzutreten. Solche kleinen Auszeiten trösteten mich über den Verdruss hinweg, mich in diesem Covenant aufhalten zu müssen. Und sie milderten auch mein ungutes Gefühl, das mich immer stärker beschlich, je näher der Tag meiner Anhörung kam.
Aber die Zeit mit Seth hatte nicht nur aus Spaß und Spiel bestanden. Den größten Teil unseres Trainings hatten wir uns damit beschäftigt, den Einsatz der Elemente im Kampf zu vermeiden. Das Herumschleudern von Feuerbällen war eher nicht als Hallensport geeignet, daher waren wir gezwungen, unsere Übungen ins Freie zu verlegen.
Außerdem stritten wir uns. Oft.
Er wurde sauer und behauptete, ich hätte Aiden beobachtet, als er eines Tages während unseres Trainings aufgetaucht und neben uns gearbeitet hatte. Seth behauptete auch, ich hätte ihn angeschmachtet.
Das stimmte nicht.
Vor Verlegenheit und Wut war ich rot angelaufen, war davongestürmt und hatte ihn mitten auf dem Feld, auf dem wir trainiert hatten, stehen gelassen. Knapp eine Stunde später war Seth mit Hamburgern und Pommes frites aufgetaucht– meinem Lieblingsessen–, und ich hatte ihm irgendwie verziehen. Er hatte Hamburger mitgebracht– was hätte ich sonst tun sollen?
Noch immer konnte ich mich nicht daran erinnern, wie ich in das Labyrinth geraten war. Nicht zu wissen, was passiert war– oder warum ein Reinblut mir so etwas antun sollte–, wurmte mich unglaublich. Auch das Gespräch zwischen Marcus und Telly ging mir nicht aus dem Kopf. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass die beiden Ereignisse in Verbindung standen.
Aber es konnte auch nur mein Verfolgungswahn sein.
Das Training dieses Tages war abgekürzt worden, da Seth etwas Wichtiges mit Lucian zu besprechen hatte. Als ich ihn fragte, worum es ging, hatte er mir geraten, mir mein hübsches Köpfchen nicht zu zerbrechen und mir die Zeit mit Laadan zu vertreiben.
Ich hasse Jungs, dachte ich.
Und ich konnte Laadan nirgends finden.
Obwohl es mich ärgerte, dass ich nicht mehr allein herumlaufen sollte, hatte ich nicht vor, wieder das Spielzeug für ein Reinblut abzugeben, das sich in geistigem Zwang üben wollte. Dieser Gedanke machte mich so wütend, dass ich ein Loch in die Wand hätte schlagen können. Nachdem ich in einer Million Salons nachgesehen hatte, gab ich die Suche nach Laadan auf. Ein weiterer langweiliger, endlos langer Abend erwartete mich, an dem ich die weißen Wände in meinem Zimmer anstarren würde.
Ich konnte meinen Zorn gerade noch unterdrücken. Doch als ich um eine Ecke bog, erstarrte ich.
Vor mir lag eine Dienstbotin zitternd auf den Knien. Offensichtlich hatte sie einen Tellerstapel auf den Teppich fallen gelassen. Der Mann, der über ihr stand, trug die unverkennbaren– und Furcht einflößenden– Gewänder eines Meisters. Ich hatte erst einmal einen dieser Männer gesehen– als Mom mich mit sieben vor den Rat gebracht hatte.
Aber nie würde ich die blutrote Tunika oder die Art vergessen, wie sie sich die Köpfe und sämtliches Gesichtshaar rasierten.
Der Meister trat auf einen der leeren Teller und zerbrach ihn. » Du unachtsames, dummes Halbblut! Überfordert es dich, Teller zu tragen? «
Die junge Frau kroch in sich zusammen, senkte den Kopf und umklammerte ihre Knie. Sie sagte kein Wort, aber ich hörte sie leise weinen.
» Steh auf! « Die Stimme des Meisters triefte vor Verachtung. Sie bewegte sich nicht so schnell, wie es ihm lieb gewesen wäre. Er packte ihr wirres Haar und riss sie hoch. Vor Verblüffung und Schmerz keuchte sie, was den Meister zu einem grausamen Lachen anstachelte. Mit der freien Hand holte er aus, um sie zu schlagen.
Ich zögerte keinen Augenblick lang.
Die Wut trieb mich voran. Meine Hand schnellte vor und hielt die Hand des Meisters auf, bevor er einen Schlag anbringen konnte. Er fuhr herum. Da ihm die Augenbrauen fehlten, wirkte seine erstaunte Miene beinahe lächerlich. Doch er fing sich schnell wieder und versuchte, seine Hand zu befreien.
Ich hielt sie fest. » Hat Ihre Mutter Ihnen nicht beigebracht, dass man keine Frauen schlägt? «
Zorn und Verachtung lagen in seinem bösen Blick. » Du wagst es, mich zu berühren und dich in Angelegenheiten einzumischen, die dich nichts angehen? Wünschst du das Elixier zu kosten, Halbblut? «
Ich packte noch fester zu,
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