Verlockende Angst
hatte irgendwie gehofft, ich könnte mit zurückfliegen. «
Er wirkte verblüfft. » Aber du hasst doch das Fliegen! Du hast eine Höllenangst davor, mein kleiner Feigling. Aber du kannst keine weitere Nacht hier bleiben. Du musst heute Abend mit Aiden fahren. «
» Und mit Leon. «
» Ja « , seufzte er und stieß sich mit den Beinen von der Mauer ab. » Willst du schwimmen gehen? «
Ich lachte. » Nein. «
» Verdammt. Ich hatte gehofft, ich könnte dich noch mal drankriegen. «
Ich musterte den moosbewachsenen Weg und schlug mit den Fersen gegen die Mauer. » Seth? «
» Jepp. «
» Wer hat mir deiner Meinung nach den Höllendrink verabreichen lassen? «
Seine Miene verhärtete sich. » Ich glaube nicht, dass es die Entscheidung des Rats war. «
» Wenn es nicht der Rat war, wer dann? «
» Es könnte jemand vom Rat gewesen sein, vielleicht auch eine Gruppe. Aber insgesamt hätte der Rat niemals zugestimmt. So etwas ließe Lucian nicht zu. «
Ich schnaubte verächtlich. » Du vertraust Lucian viel zu sehr. «
» Versteh mich nicht falsch, er ist trotzdem ein aufgeblasener Wichtigtuer. « Seth grinste. » Aber er würde nicht erlauben, dass dir so etwas zustößt. Es könnte durchaus ein Ratsmitglied dahinterstecken, aber keinesfalls mit offizieller Rückendeckung des Rats. «
» Tut mir leid. Ich traue Lucian nicht. «
Seth drehte sich um. » Dann vertrau ihm in Zukunft! Er will sichergehen, dass du erwachst, Alex. Dafür setzt er absolut nichts aufs Spiel. «
» Aber es gibt noch eine andere Sache, die mich misstrauisch macht. Warum will Lucian unbedingt zwei Apollyons, während jedes andere Reinblut bei dieser Vorstellung Todesängste bekommt? «
» Weil Lucian Veränderungen will– und wir sind das Werkzeug für diesen Wandel. Du möchtest doch diese Gesellschaft verändern, sie besser machen, oder etwa nicht? Lucian hat das gleiche Ziel. «
» Seit wann ist Lucian denn so ein Halbblutfreund? «
» Du kennst deinen Stiefvater nicht, Alex. Du hast nie versucht, ihn zu verstehen. «
Ich schüttelte den Kopf. » Tut mir leid. Du hast nicht vierzehn Jahre mit ihm zusammengelebt. Lucian ist kalt und hinterlistig und ist noch nie ein Fan der Halbblüter gewesen. Du kannst mich nur schwer vom Gegenteil überzeugen. «
Seth seufzte. » Ich würde ja auf Telly wetten, aber das erscheint zu offensichtlich, und dazu ist er zu altmodisch. Aber es ist einer von ihnen– oder mehrere. «
Ich verschränkte die Arme und erschauerte bei dem Gedanken, was hätte passieren können. » Etwas Abscheulicheres hätte sich wirklich niemand ausdenken können. «
Er streckte den Arm nach mir aus und zog mich zu sich hinunter, bis mein Kopf in seinem Schoß lag. Zuerst fühlte es sich eigenartig an, aber nach einer Weile legte ich mich auf den Rücken und blickte zu den grauen Wolken hinauf. » Sobald wir diesen verdammten Ort verlassen haben, finden wir es heraus. Lucian ist schon… «
» Du hast es Lucian erzählt? «
» Er musste davon erfahren. « Er strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn. » Unnötig zu sagen, dass er außer sich war. «
Stöhnend schlug ich die Hände vor die Augen. » Hat er mit einem kostbaren Gegenstand geworfen? Gewöhnlich vergreift er sich an etwas Kleinem, Teurem. «
Seth lachte. » Ja, das hat er tatsächlich getan. Ich glaube, es war ein Fabergé-Ei. «
» Oh. Super. «
Er umfasste meinen kleinen Finger und sah auf mich herab. » Wovor versteckst du dich? «
Darüber dachte ich nach. » Keine Ahnung. Vor allem? «
» Klingt nach einem guten Plan. «
Ich ließ die Hände auf den Bauch sinken, aber Seth hielt immer noch meinen kleinen Finger umklammert. » Kindisch, was? «
Er umfasste meine Hände. » Es ist in Ordnung. Ein wenig darfst du dich noch verstecken, aber dann musst du dich… allem stellen. «
» Ich weiß. «
» Aber einstweilen entspann dich einfach! «
Sobald wir wieder in North Carolina waren, musste ich wieder zur Schule gehen. Olivia hasste mich. Wir mussten immer noch herausfinden, wer mir letzte Nacht die Falle gestellt hatte. Und… Mist, Trainer Romvi wäre auch noch da. Ich zuckte zusammen. » Können wir… nicht noch eine Weile hierbleiben? «
» Klar. « Er beugte sich herab und drückte die Lippen auf meine Stirn. » Wenn du möchtest. «
Was ich wollte, war nicht wirklich wichtig. Aber ich schloss trotzdem die Augen und genoss es.
Bis die Diener mein Gepäck nach unten schleppten, war die Sonne schon untergegangen. Seth und ich
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