Verlockende Versuchung
ändern, und zu Recht, wie ich Finde. Immer öfter hört man von Paaren, die sich den Konventionen widersetzen und aus Liebe heiraten. Sie sind glücklich, wie ich meine. Wahrlich, aus Liebe zu heiraten ... nun, das wünsche ich jeder jungen Frau.« Der Tonfall der Herzogin war stetig weicher und verträumter geworden. »Ach, doch ich merke, dass du lieber für dich wärst, mein Kind«, fügte sie hinzu und machte Anstalten zu gehen.
Doch mit einem Mal wollte Devon auf keinen Fall mehr allein sein. »Großmama, warte«, rief sie ihr nach. Die Herzogin drehte sich fragend um. »Bitte, bleib bei mir«, bat Devon zögerlich. »Bitte.« Ein unerträglicher Druck lastete auf ihrer Brust, und ihre Schultern bebten.
Im nächsten Augenblick war die Herzogin vor ihr auf die Knie gesunken und zog ihre Enkelin eng an sich. Kei ner von ihnen hinterfragte, was nun geschah. Zwischen ihnen war ein Band gesponnen, das sie einander näher brachte, als sie es jemals zu hoffen gewagt hatten. Trotz der vielen Jahre, die sie nichts von der Existenz der anderen geahnt hatten, hatten sie das Gefühl, einander schon immer geliebt zu haben. »Weine ruhig, mein Liebes, wenn es dir hilft.«
Devon barg das Gesicht an der Schulter der Herzogin. »Großmama«, stieß sie mit tränenerstickter Stimme hervor. »Er ... ich ... «
Mehr brachte sie nicht heraus. Doch das musste sie auch nicht.
Selbst mit den Tränen kämpfend tätschelte die Herzogin Devons Rücken. »Ich verstehe das, meine Liebe. Wirklich.«
Und die Herzogin verstand sie wahrhaftig.
Die Folgen einer geleerten Flasche Brandy zeigten nicht die Wirkung, die Sebastian sich erhofft hatte. Der Alkohol hatte weder seine Schuldgefühle noch den stechenden Schmerz in seiner Brust bezwingen können. Selbsthass floss durch seine Adern wie heißes Öl. Über seinen Schreibtisch gebeugt hieb der Marquess sich mit den Fingern gegen die Stirn, als wollte er die Erinnerungen mit Gewalt aus seinem Gedächtnis vertreiben ...
Erschrocken fuhr er zusammen, als ein kleiner, warmer Körper auf seinen Schoß sprang. Eine kalte, feuchte Schnauze kuschelte sich an ihn.
Mit traurigen Augen betrachtete Sebastian das haarige Geschöpf. Er fand es immer noch verwunderlich, dass er daran gedacht hatte, Dickerchen und die Welpen mit nach London zu bringen. »Sie ist nicht hier«, stammelte Sebastian verärgert.
Die Hündin legte den Kopf schief und jaulte. Wie von selbst kam nun auch der Rest der Familie - der General, der Oberst, der Major und natürlich der Kapitän -, die alle ungeduldig an Sebastians Hose zerrten und herzzerreißend winselten.
Sebastian sprang missmuti g auf. »Sie kommt nicht zurück! «, schrie er. »Versteht ihr das nicht, sie kommt nicht zurück! «
Das Wimmern der Tiere verebbte. Eines nach dem anderen stellte sich in einem Halbkreis vor Sebastian auf. Der Marquess stöhnte gequält. Letzten Endes waren es diese klagenden, niedergedrückten Augen, die ihn kopfüber aus dem Raum fliehen ließen.
Bevor er sich versah, stand er in der Bibliothek - Devons Lieblingszimmer, durchfuhr es ihn.
Lebte ich hier, hallte es in seinem Bewusstsein wider, würde ich es mir zum Ziel machen, jedes Buch in diesem Raum zu lesen.
Doch sie lebte nicht hier. Sie würde niemals hier leben, und die Erkenntnis traf ihn, als hätte ihm jemand einen Dolch mitten ins Herz gerammt.
Er glaubte, den Verstand zu verlieren. Wie von Sinnen schlug er wild um sich. Vasen zerklirrten und Folianten wurden aus den Regalen zu Boden gerissen.
Da öffnete sich die Zimmertür einen Spalt, und sein treuer Diener Stokes erschien. Hinter ihm lugten einige der Hausmädchen in den Raum. »Mylord ... «
»Verschwindet!«, brüllte Sebastian. »Alle miteinander!«
Rasch wichen die Bediensteten zurück und machten Justin den Weg frei, der eben nach Hause gekommen war.
»Sebastian!«, lautete Justins scharfer Tadel. »Großer Gott, was zum Teufel ... «
Sebastian hob den Kopf und betrachtete seinen Bruder aus brennenden roten Augen.
»Wenn du gekommen bist, um dich an meinem Unglück zu weiden«, zischte er ihn an, »nur zu.«
Fassungslos sah Justin ihn an.
»Gütiger Himmel«, murmelte Sebastian mit geschlossenen Augen. »Es tut mir Leid, das hätte ich nicht sagen dürfen.«
Justin schloss die Tür hinter sich und musterte seinen älteren Bruder von Kopf bis Fuß. » Du bist betrunken! « , sagte er ungläubig.
»Bin ich das? Das muss mir entgangen sein.«
»Sebastian, was ist los? Du warst heute Morgen in
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