Verlockende Versuchung
erzogen. Eine Frau von unerschütterlicher Treue und Hingabe. Eine Frau mit Prinzipien, ebenso standhaft wie er selbst. Und sie würde eine liebende und fürsorgliche Mutter sein.
Großer Gott, flehte er inständig, lass sie vor allem eine liebende Mutter sein!
Und Schönheit? Nein, entschied er. Viele Männer würden das von ihrer Braut erwarten. Nicht er. Natürlich hatte er nichts gegen ein angenehmes Äußeres einzuwenden. Wäre sie hübsch anzusehen, mit ebenmäßigen Gesichtszügen, und hätte eine gute Figur, umso besser. Doch es waren ihre inneren Werte, die zählten.
Er musste lächeln. Justin würde ihn einen Narren schelten, wenn er erführe, dass Schönheit so weit unten auf seiner Liste stand. Sebastian kannte den Geschmack seines Bruders nur zu gut, der keine Frau eines Blickes würdigen würde, die kein lupenreiner Diamant war.
Fürwahr, seine Braut könnte einer Kröte ähneln, solange sie Sebastian nur von ganzem Herzen liebte und ihn niemals verlassen würde. Er war fest entschlossen, nicht dieselben Fehler wie sein Vater und seine Mutter zu begehen. Nicht bei seinen Kindern.
Oder seiner Frau.
Die Karaffe mit dem Brandy war fast bis auf den letzten Tropfen geleert, als er sich erhob und die Treppe hinaufging. Auf dem Treppenabsatz blieb er stehen. Sein Blick wurde von der ersten Tür zu seiner Rechten angezogen, die einen Spalt offen stand.
Er sollte kurz nach ihr sehen, seinem uneingeladenen Hausgast. Da erinnerte er sich der Worte, die Justin vorher geäußert hatte.
Vielleicht sollten wir Stokes die Wertgegenstände verstecken lassen. Wahrhaftig, wir sollten sogar unsere Zimmer versperren. Da weißt, wir haben ein Straßenmädchen in unserem Haus Sie könnte uns das letzte Hemd rauben oder uns in unseren Betten ermorden.
Sebastian entsann sich der Halskette, die das Mädchen so eisern umklammert hatte, und die noch immer warm in seiner Tasche lag. Erstaunlich, dass sie das Schmuckstück die gesamte Tortur hindurch festgehalten hatte, denn sie musste unvorstellbare Schmerzen erlitten haben. Und wer wusste schon, wie lange sie verletzt auf der Straße gelegen war, bis er sie entdeckt hatte? Andererseits übte Habgier einen starken Reiz aus, und das Kleinod musste wertvoll sein, das sah er auf den ersten Blick.
Der Zug um Sebastians Mund verhärtete sich. Sie würde viele Fragen beantworten müssen, so viel stand fest.
Noch bevor er sich über sein Handeln bewusst war, stand er über sie gebeugt. Ein zarter, silbriger Mondstrahl drang durch die Fensterscheibe herein und stre i chelte über ihren Körper.
Was noch hatte Justin gesagt? Dass sie es ihm angetan haben sollte?
Lächerlich.
Es verhielt sich genau so, wie er es Justin erklärt hatte Das j unge Ding war eine Diebin. Oder noch Schlimmeres. Es beunruhigte ihn, dass sie so wenig über die Umstände wussten, durch die sie verletzt worden war. Sobald sie jedoch wach war und sprechen konnte, würde alles geklärt werden.
Seine Augen musterten sie eingehend.
Eine ihrer Hände, in der sie die Halskette gehalten hatte, lag fest an ihre Brust gepresst. Vorhin hatte er behutsam den Schmutz und den Straßengeruch von ihrem Körper gewaschen und sie in eines der Nachtgewänder seiner Schwester gekleidet. Welch seltsames Geschöpf sobald sie sauber war, hatte er sich selbst ermahnen müssen, dass sie eine Diebin war. Ein Straßenmädchen!
Nicht, dass er j emals einer Vertreterin dieser Gattung auf derart intime Weise begegnet wäre. Sein Mund zuckte bei dem Gedanken.
Langsam glitt sein Blick über sie hinweg. Sie schlief, jedoch sehr unruhig. Sie hatte die Decke von sich geworfen, die er über sie gelegt hatte. Ihr kleiner Mund zitterte. Elegant geschwungene Brauen lagen über diesen außergewöhnlichen Augen, die ihn an Topase erinnerten.
In dieser Sekunde verfluchte er seine Ehrenhaftigkeit.
Für eine Taschendiebin sah sie überraschend vornehm aus. Ihre ungezähmte Schönheit ließ sich nicht verleugnen ... Großer Gott, diese Frau weckte eine Begierde in ihm, die er bis dahin nicht gekannt hatte.
War es die Haltung, in der sie lag? Oder die Frau an sich? Unter dem hauchdünnen Nachthemd aus Batist schimmerte ihre zarte Haut im Schein des Feuers. Ihre Brust hob und senkte sich gleichmäßig, während sich die runden, zart rosigen Knospen dreist vorreckten.
Ihre unverhohlene Sinnlichkeit war nicht zu leugnen. Sebastian atmete tief ein und wurde sich einer plötzlichen Schwellung in seiner Lendengegend bewusst. Wahrlich kein
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