Verlockende Versuchung
rannte nach Hause, so schnell sie ihre Beine trugen.
In der Dachkammer war sie atemlos auf dem Fußboden zusammengesunken. Sie entsann sich noch genau, wie sie das Naschwerk in den Mund gesteckt hatte. Es hatte unglaublich geschmeckt. Eine derart köstliche Leckerei hatte sie noch nie zuvor gegessen.
Devon hätte es besser wissen müssen, zumal sie nicht einmal besonders hungrig gewesen war ...
Ihre Mutter hatte sie ertappt. » Du hast gestohlen! «
Das Gebäck in ihrem Mund wurde zu Sand, und sie hatte Schwierigkeiten, es überhaupt hinunterzuschlucken.
Eine Entgegnung war überflüssig.
»Du darfst nicht stehlen, Devon St. James. Wir mögen unter schlechten Menschen leben, aber wir gehören nicht zu ihnen.« So erbost hatte Devon ihre Mutter noch nie gesehen.
Bis zum heutigen Tag erinnerte Devon sich daran, wie sie sich gefühlt hatte. So schuldig. So habgierig.
Später hatten sie beide geweint ... Es war das erste Mal gewesen, dass sie ihre Mutter zum Weinen gebracht hatte.
Und nun war Devon wieder den Tränen nahe, doch sie blinzelte sie fort. Sie durfte nicht weinen. Freddie war tot, und sie konnte nichts mehr rückgängig machen.
In diesem Haus wollte sie jedoch nicht bleiben. Seinem Haus! Nicht, wenn er sie nicht hier haben wollte. Sobald sie die Halskette zurückhatte, würde sie gehen.
Ihr Blick streifte die Tür. Entschlossen schob sie die Decke beiseite und setzte sich auf die Bettkante. Der Raum drehte sich, und ihr wurde schwindlig. Eine zitternde Hand an die Stirn gepresst, hielt sie einen Moment inne. Sie wünschte sich nichts sehnsüchtiger, als wieder zurück in die einladende Wärme dieses weichen, wundervoll breiten Bettes zu kriechen. Es war ein solch schönes Zimmer ... Voller Sehnsucht fragte sie sich, wie es sich anfühlen mochte, in diesem Reichtum zu leben, und stets so angenehme Kleidung wie dieses Nachthemd zu tragen. Der prächtige Holzboden glänzte derart, dass sie sich bestimmt darin spiegeln könnte. Die goldgelben Vorhänge und die fröhlich gemusterte Überdecke des Bettes gaben ihr das Gefühl, als befände sie sich inmitten eines Sonnenstrahls.
Aber er wollte sie nicht hier haben.
Just in diesem Augenblick erspähte sie ihre Haube auf dem Stuhl. Was war es, das er gesagt hatte?
Sie halten Ausschau nach einer Frau in anderen Umständen, die einen Umhang und eine lächerliche Haube trägt.
Ihre Haube war ganz gewiss nicht lächerlich, dachte sie wutentbrannt. Sie war das schönste Kleidungsstück, das sie besaß! Mama hatte immer beklagt, dass sie ihr keine Haube hatte kaufen können. Lebhaft entsann sich Devon des Tages, an dem sie sie auf der Straße gefunden hatte, kurz bevor sie im Crow's Nest zu arbeiten begonnen hatte. Sie war verzückt gewesen, noch nie hatte sie eine derart feine Kopfbedeckung besessen. Es machte nichts, dass das Kleidungsstück fleckig und beschädigt war, oder dass die gelben, seidigen Federn und der dazu passende Besatz nicht mehr stolz aufrecht standen. Devon hatte sich eine hübsche, junge Dame vorgestellt, die ihren Sonnenschirm herumwirbelte und an einem wolkenlosen Tag im Hyde Park spazieren ging. Sie hatte sich sogar ausgemalt, dass iie diese j unge Frau war. Und nun gehörte dieser unbezahlbare Fund ihr.
Mit zusammengebissenen Zähnen glitt Devon vom Bett auf den Boden. Ein stechender Schmerz durchfuhr sie. Sie kämpfte verzweifelt dagegen an und stand für einen Moment wackelig da, doch dann bemerkte sie, wie sie ihre Kräfte verließen. Die Knie wurden ihr weich, und die Last ihres Körpers schmerzte. Sie fühlte sich wie eine alte Frau und sah höchstwahrscheinlich auch wie eine aus.
Da öffnete sich auf einmal die Tür.
»Verdammt«, fluchte eine Stimme. »Was zum Teufel glaubt Ihr, was Ihr da macht? «
Sie sah ihm direkt in die Augen.
»Ich dachte, das sei offensichtlich. Ich gehe fort. Außerdem glaubte ich, dass Ihr keine Gossensprache in Eurem Haus duldet. Anscheinend gilt dies jedoch nicht für den Hausherren, nicht wahr, Lord Mistkerl?«
Sebastian überging die spöttische Bemerkung. In ihrer schäbigen, albernen Haube sah sie lächerlich aus. Er verschränkte die Arme über der Brust und betrachtete sie eingehend. »Und wie wollt Ihr das anstellen? «
»Wie Ihr seht, werde ich zu Fuß gehen.« Trotzig zog sie an den Schleifen ihrer Haube. »Und Ihr werdet mich nicht daran hindern können.«
»Ihr habt das Haus nicht zu Fuß betreten und werdet es j etzt genauso wenig auf diese Weise verlassen.« Vor Schmerzen
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