Verlockende Versuchung
er sah auch die unverkennbaren Spuren vergossener Tränen. Großer Gott, sie hatte geweint.
Noch nie in seinem Leben war er derart verwirrt gewesen. Er wollte erfahren, was mit ihr los war, doch etwas in seinem Innersten hielt ihn davon ab nachzufragen. Sie sah so ... so zuversichtlich aus. Und er brachte es einfach nicht übers Herz, ihre Hoffnungen zu zerstören.
Verdammt, dachte er verärgert. Verdammt! Wie sollte ein Mann bei diesem Anblick Nein sagen? Wie sollte er es tun?
»Ich gehe einmal davon aus, dass es niemandem schaden würde.«
Das Lächeln, das über ihr Gesicht huschte, war atemberaubend und traf ihn mitten ins Herz.
»Danke, Myl ... «
»Sebastian«, erinnerte er sie.
»Danke, Sebastian. Habt tausend Dank! «
Den Hund fest an die Brust gedrückt, drehte sie sich um und ging zur Treppe. Auf der ersten Stufe jedoch blieb sie stehen und blickte sich unschlüssig um.
Jetzt, dachte Sebastian, jetzt würde sie ihm sagen, was nicht stimmte.
»Ich muss Euch etwas beichten.« Zögerlich fuhr sie fort. »Ich ... ich ... « Sie blickte abwechselnd zur Seite, auf den Boden und zur Decke, bis sie Sebastian schließlich wieder ansah; allerdings ohne ihm direkt in die Augen schauen zu können. »Ich habe gelogen«, verkündete sie.
Als wären das überraschende Neuigkeiten! Anstatt beunruhigt zu sein, verschränkte Sebastian belustigt die Arme vor der Brust. »Ihr habt gelogen?«
»Es war nicht nur so, dass ich Webster an der Tür hörte«, sagte Devon kleinlaut. »Ich ... ich wollte mir Euer Haus ansehen. «
»Ihr wolltet Euch also mein Haus ansehen«, wiederholte Sebastian langsam.
Bedrückt stand Devon da, als erwartete sie, jeden Augenblick vom Blitz getroffen zu werden. »Ich konnte nicht schlafen und hatte mein Zimmer satt ... «
»Sagtet Ihr nicht, es sei wunderschön?«
»Das ist es! Aber das ganze Haus ist so großartig, dass ich alles genauer betrachten wollte.«
»Ich verstehe. «
»Und Ihr seid nicht verärgert? «
»Nein«, erwiderte er sanft. »Doch Ihr solltet nicht im Dunkeln herumschleichen.« Nach einer kurzen Pause setzte er erneut an. »Da es Euch offensichtlich besser geht, kann Tansy Euch morgen herumführen, wenn Ihr es wünscht. Ich würde es selbst machen, doch leider werden Justin und ich geschäftlich auf dem Land sein. Und danach bin ich anderweitig verpflichtet.« Er musterte sie eingehend. »Würde Euch ein solcher Rundgang gefallen? «
Sie sah so unbeholfen aus, dass er ein Lachen unterdrücken musste. Unvermittelt stieg das brennende Verlangen in ihm hoch, zu ihr zu eilen, seine Finger unter ihr Kinn zu legen und ihre Lippen zärtlich mit den seinen zu verschließen ...
Widerwillig schüttelte er den Gedanken ab und antwortete an ihrer Stelle. »Ja? Sehr schön. Und Devon? Ihr könnt j eden Raum betreten, den Ihr wollt. Aber ich versichere Euch, dass die Zimmer erst bei Tageslicht ihre volle Wirkung entfalten. Und ich muss mir dann keine Sorgen machen, dass Ihr mitten in der Nacht die Treppe hinunterfallen könntet.«
»Oh«, stieß sie schwach hervor. »Das ist wirklich rücksichtsvoll von Euch. «
»Gern geschehen«, entgegnete er liebevoll.
Wieder um schenkte sie Sebastian ein strahlendes Lächeln, das ihm beinahe den Atem verschlug. Er hätte alles darum gegeben, ihr Gesicht auch unter anderen Umständen derart zum Leuchten zu bringen ... im Bett zum Beispiel.
Lange nachdem sich die' Tür zu Devons Zimmer geschlossen hatte, stand Sebastian wie erstarrt in der Eingangshalle. Der Gedanke, dass er den Verstand verloren haben musste, machte sich langsam in ihm breit.
Denn mittlerweile bot er nicht mehr nur einem, sondern zwei heimatlosen Geschöpfen von der Straße Unterschlupf.
Neuntes Kapitel
Als Devon am nächsten Morgen erwachte, saß Webster schwanzwedelnd und mit leuchtenden Augen neben ihr. Bei Sonnenlicht sah er nicht mehr ganz so unscheinbar aus, doch wie sie in der vorherigen Nacht richtig bemerkt hatte, benötigte er dringend ein Bad.
Während Tansy und Devon diese Arbeit in Angriff nahmen, machten sie eine sehr aufschlussreiche Entdeckung, was den kleinen Hund betraf. Eigentlich sogar zwei. Die erste zaube rte ein Lächeln auf Devons Gesic ht, war j edoch eher bedeutungslos. Was die zweite anging ... so war sie sich nicht sicher, wie und ob sie Sebastian überhaupt davon berichten sollte.
Nachdem sie Webster gebadet hatten, wurde Devon von Tansy durch das Anwesen geführt und musste Sebastian Recht geben: Das Haus war bei Tageslicht
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