Verlockende Versuchung
einem Lachen bestätigte das Dienstmädchen Devons Vermutung.
In den frühen Morgenstunden war sicherlich niemand mehr auf, dachte Devon. Es fühlte sich so gut an, sich endlich wieder frei zu bewegen. So wundervoll ihr Schlafgemach auch war, langsam war es Devon leid, immerfort im Bett zu liegen.
Lautlos schlich sie die Treppe hinunter, ging auf Zehenspitzen durch das Haus und wagte einen Blick in die übrigen Zimmer. Hier war das Esszimmer mit dem massiven, polierten Tisch und den Silberkandelabern. Der Salon, in dem zerbrechliche Porzellanvasen und wertvolle Figuren aneinander gereiht standen, wirkte im Mondlicht fast gespenstisch. Alles war elegant, edel und aristokratisch - wie der Marquess selbst.
Ehrfurchtsvoll, jedoch immer noch entschlossen, ihre Neugier tatsächlich zu befriedigen, glitt Devon ins nächste Zimmer und blieb in der Mitte des hohen Raumes stehen. Große Fenster umrahmten den marmornen Kamin, während die anderen Wände von Bücherregalen bedeckt waren.
Die Bibliothek.
Qualvolle Erinnerungen schnürten ihr das Herz in der Brust zu. Ihre Mutter hätte diesen Raum geliebt, dachte sie schmerzlich. Wie sehr wünschte sie sich, dass ihre Mutter noch lebte und all das hier sehen könnte! Drei Monate waren seit ihrem Tod vergangen, und es verstrich kein Tag - keine einzige Stunde - ohne dass Devon sie fürchterlich vermisste. Tränen stiegen in ihr empor, doch sie blinzelte sie zurück.
Nachdem sie mit der Hand über die Armlehnen eines Sessels gestrichen hatte, hielt sie kurz inne. Das Leder fühlte sich zart an, so weich wie Samt. Im Kamin schimmerte noch immer etwas Glut, und sie konnte sich nichts Gemütlicheres vorstellen, als in diesem Sessel vor einem lodernden Feuer zu sitzen.
Draußen kam starker Wind auf, und dicke Regentropfen prasselten gegen die Fensterscheiben. Der Sturm tobte und ließ sie erzittern, als sie an die Nacht zurückdachte, in der sie sich ihre Verletzung zugezogen hatte. Sie hatte die Kälte und den Regen nicht vergessen, der sie durch ihren Umhang bis auf die Haut durchnässt hatte.
Nicht zum ersten Mal kam es ihr in den Sinn, dass sie großes Glück gehabt hatte, dass Sebastian sie gefunden und ihr gestattet hatte hier zu bleiben.
Ungewollt zuckten ihre Mundwinkel. Er würde sie sicherlich auf der Stelle hinauswerfen, falls er sie hier beim Herumschnüffeln ertappte!
Der Wind heulte erneut auf, und Devon vernahm ein seltsames kratzendes Geräusch an der Tür.
Instinktiv versteckte sie sich hinter einem Sessel.
Das Schaben wurde nun immer heftiger, außerdem war da ein Laut, der sich wie ein Jammern oder Heulen anhörte.
Von Neugier übermannt kroch Devon aus der Bibliothek in Richtung des Kratzens, wobei sie die Kerze dicht an ihrem Körper hielt. Langsam richtete sie sich auf und öffnete vorsichtig die Tür.
Ein Windstoß traf sie und hätte sie beinahe zu Boden geworfen. Etwas Kaltes und Feuchtes streifte ihre Beine und huschte in die Eingangshalle. Devon unterdrückte einen Schrei, als sie den Blick nach unten senkte, und zwei dunkle, mitleidsvolle Augen sie anstarrten. Ein Hund! Nass und verdreckt zitterte das Tier vom Kopf bis zu seinem triefend nassen Schwanz. Kein Wunder, da er bei diesem furchtbaren Wetter draußen gewesen war. Dass der Hund unscheinbar, und die kleine Schnauze zu platt für sein Gesicht war, machte ihn nur umso liebenswerter. Mit seinem langen, hellen Fell zog er eine Schmutzspur über den glänzenden Fußboden.
Nachdem Devon den Kerzenhalter auf einem kleinen ovalen Tisch abgestellt hatte, kniete sie sich neben das fröstelnde Tier. »Oh! Du bist j a bis auf die Haut durchnässt ! «
Der Hund stupste ihre Hand mit seiner kalten, kleinen Schnauze an und begann derart erbärmlich zu winseln, dass es Devon beinahe das Herz zerrissen hätte. »Bist du hungrig?«, fragte sie leise.
Sie hätte schwören können, dass die Augen des Hundes zu leuchten begannen.
»Lass uns nachsehen, ob wir dir etwas zu essen besorgen können, einverstanden? Ich habe noch ein Stück Käse vom Abendessen übrig.« Mochten Hunde überhaupt Käse? Nun, sie würde es herausfinden! »So, mein kleines Würmchen, du bleibst, wo du bist.« Mit einem Finger bedeutete sie ihm zu warten, musste dann jedoch über sich selbst lachen. »Mein kleines Würmchen. Nein, du brauchst einen besseren Namen. Hin, wie soll ich dich nur nennen? Jetzt hab ich's! Webster. Der Name passt zu dir! «
Offensichtlich war der Hund mit dem Namen einverstanden, denn er wedelte freudig
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