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Verlockendes Dunkel

Verlockendes Dunkel

Titel: Verlockendes Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alix Rickloff
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bemitleiden – äußerst schwer sogar –, doch Elisabeth konnte seine selbstmitleidige Verdrossenheit dennoch sehr gut nachempfinden. Immerhin hatte sie das Gleiche selbst gerade noch verspürt. »Sie sind ein paar Stunden vor Sonnenaufgang weggeritten.«
    »Und Brendan?«
    Rogan schloss für einen kurzen, beängstigenden Moment die Augen. »Máelodor versteht es, einen Mann langsam zu brechen.«
    Wut verdrängte ihr Mitgefühl. Am liebsten hätte sie sich auf Rogan gestürzt und ihn in Stücke gerissen. Ihm alle Schimpfwörter, die sie kannte, ins Gesicht geschleudert. Und mit Sicherheit wären ihr noch ein paar weitere in den Sinn gekommen. Dies alles war seine verdammte Schuld. Aber hysterische Anfälle würden sie nicht weiterbringen. Sie brauchte Rogan. Jetzt noch mehr denn je.
    »Weißt du, in welche Richtung sie sich gewandt haben?«
    »Nein, und wenn Máelodor schlau ist, wird er nicht lange auf der Hauptstraße bleiben, sondern seine Begleiter verlassen, um unbemerkt voranzukommen. Er war raffiniert genug, sich so lange versteckt zu halten. Und er weiß, wie man sich ungesehen fortbewegt.«
    »Doch du kannst ihn aufspüren.«
    Rogans Augenbrauen fuhren in die Höhe; zum ersten Mal zeigte er echtes Interesse an der Unterhaltung. »Ich? Wozu?«
    »Um Brendan zu retten.«
    Er lachte. »Sehe ich wie ein Dummkopf aus?«
    Sie nahm die Pistole in beide Hände. »Nein. Wie ein Magier-Jäger.«
    Das errang auf jeden Fall sein Interesse. Er erstarrte und schnappte verblüfft nach Luft. »Also wirklich, Elisabeth. Ich habe dich vor Máelodor beschützt, wie ich es Douglas versprochen hatte. Mehr als das kann ich nicht tun.«
    Sie entsicherte die Waffe. Auf diese kurze Entfernung konnte sie ihn unmöglich verfehlen. »Die ländliche Umgebung von Dun Eyre kann sehr gefährlich sein. Straßenräuber und Einbrecher treiben sich dort herum, und es ist für alle wichtig, mit einer Waffe umgehen zu können. Sogar für Frauen.«
    Rogan lachte humorlos, aber seine Augen blieben wachsam, als er eine Prellung an seiner Wange betastete. »Falls du so gut damit umgehen kannst wie mit einem Schürhaken, sollte ich wohl besser auf der Hut sein.«
    »Ich kann dir versichern, dass ich sogar noch viel besser damit umgehen kann«, erklärte sie mit einem schmallippigen Lächeln, während sie sich bemühte, die Arme gerade zu halten unter dem Gewicht der Waffe. Das verflixte Ding war schwerer als die Pistole, mit der sie zu Hause geübt hatte. Wenn Rogan nicht bald aufgab, würden ihre Arme durchsacken wie gekochte Nudeln. »Wirst du mir nun helfen oder nicht?«
    Das holte ihn auf den Boden der Tatsachen zurück, und er hob abwehrend die Hände. »Ich wollte dich nicht in all das hineinziehen, Elisabeth. Das musst du mir glauben. Weder dich noch Douglas. Ich will nur Gerechtigkeit. Für mich. Für Lyddy. Für all die Leute wie uns, die von euch magielosen Duinedon nicht wie Menschen, sondern wie Vieh behandelt worden sind.«
    Elisabeth spürte, wie ihre Furcht nachließ und einer nüchternen, kristallklaren Einsicht wich. Sie hatte noch nie jemanden getötet, doch sie wusste ohne jeden Zweifel, dass sie Rogan erschießen würde, wenn er nicht gehorchte. Aber falls es zutraf, was Madame Aranas Spiegel ihr gezeigt hatte, würde ihr Plan gelingen.
    Rogan würde ihr helfen.
    Sie würde dort sein, wenn das Grab sich öffnete.
    Wenn Artus wiederauferstand – und Brendan starb.

Kapitel Fünfundzwanzig
    B rendan stolperte über die Wurzeln eines riesigen Ahornbaums und fiel. Unter halb zugeschwollenen und blutverkrusteten Augenlidern hervor spähte er zu der schwindelerregenden Höhe der Äste und Blätter auf und legte eine zerschmetterte Hand an seine Rippen.
    Gott, in was für einer elenden Verfassung er war!
    Das einzig Gute war, dass er Elisabeth nun nicht mehr mit Mozart nerven würde.
    Sie waren stundenlang gelaufen, die Bäume standen immer dichter zusammen, je weiter sie in den Wald vordrangen, und das Blätterdach schloss sich über ihnen, bis sogar die Luft grün und golden schimmerte. Die Baumstämme waren mit dichtem Moos bewachsen; Dornengestrüpp riss ihm die Arme auf und hinterließ auf seinen Wangen lange Kratzer wie von den Krallen einer Katze. Und trotzdem schien kein Ende der gewaltigen Kathedrale aus überlappenden Ästen in Sicht zu sein, als wären sie in ein früheres Zeitalter zurückgekehrt, in dem das Land noch wild und ungerodet war.
    Verborgene Beobachter huschten zwischen den Schatten hin und her. Ein leises,

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