Verlockendes Dunkel
schossen ihm durch den Kopf. Ein verborgenes Tal. Ein umgefallener Grabstein. Ein Mann mit flammend rotem Haar. Ein Himmel, der so dunkel war wie Blut. Und die ganze Zeit hörte er ein Gewirr sich überschneidender Stimmen, in einer Sprache, die wie Musik oder fließendes Wasser klang.
Rogan beeilte sich, den Stein zu Máelodor zu bringen, der von einem Ohr zum anderen grinste. Wie seine Nase hatten sich seine Ohren so tief in seinen Schädel zurückgezogen, dass sie nur noch Löcher zu beiden Seiten seines Kopfes waren. »Artus’ Rückkehr ist endlich greifbar nahe. Die Rasse der Anderen wird wieder eine Stellung der Autorität und des Respekts einnehmen. Sie werden nicht mehr wie Ausgeburten des Teufels behandelt und auf der Welt herumgejagt werden wie Ungeziefer.« Er blickte auf Rogan herab wie ein Kaiser auf seinen Untertan. »Für einen solchen Schatz verdienst du meine ewige Dankbarkeit und darfst jeden Preis dafür verlangen.«
Rogan machte eine tiefe, theatralische Verbeugung. »Ihr seid sehr großzügig zu einem einfachen Soldaten wie mir. Ich würde mich freuen, diesen glorreichen und gefeierten Tag erleben zu dürfen.«
Welch lächerliches Gefasel! Wenn Brendans Rippen nicht so schmerzen würden, hätte er gelacht über die irischen Schmeicheleien, die aus dem Mund des alten Harfenisten kamen. Doch so beschränkte er sich auf ein verächtliches Grunzen, das ihm finstere Blicke von Máelodor und Rogan eintrug.
»Das wirst du. Wie wir alle«, antwortete der Meistermagier Rogan, während er den Blick auf Brendan heftete. »Und du wirst mir dabei helfen, Douglas. Weil Artus’ Wiedergeburt ohne dich nichts weiter als ein Luftschloss wäre, nicht?«
»Es mag zwar ursprünglich meine Idee gewesen sein, doch sie ist schon lange von meinen Händen in deine übergegangen.« Máelodors vor- und zurückschnellende Zungenspitze erschwerte es Brendan, sich zu konzentrieren. »Ich übernehme nicht mehr die Verantwortung für deinen Wahnsinn, und ich werde dir bei nichts anderem helfen, als einen langsamen, qualvollen Tod zu sterben.«
»Wie dreist du bist mit deinen Drohungen! Da du jedoch derjenige bist, der gefesselt ist und blutet, werde ich dir diese kleine Respektlosigkeit verzeihen. Wie ich feststellen konnte, sind es immer die Tapfersten, deren Vernichtung sich als die … vergnüglichste erweist.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Rogan zu. »Soviel ich weiß, hast du auch eine junge Frau mitgebracht?«, sagte er, und wieder glitt sein Blick zu Brendan. »Douglas’ Braut. Ich möchte diese ungewöhnliche junge Dame sehen, die unserem Prinzen der Anderen das Herz gestohlen hat.«
Rogan bewegte sich unruhig, und seine Lippen verzogen sich zu einem wollüstigen Grinsen. »Die Frau wurde eingeschlossen, um sicherzugehen, dass Douglas keinen seiner Tricks versucht.«
Máelodors Augen verengten sich. »Wir sind hier sicher genug. Douglas’ Macht ist groß, aber hierin, wie in so vielem anderen, kann er sich mit mir nicht messen. Hol die junge Frau her, Oss!«
Wieder ging der Albino hinaus, und diesmal kehrte er mit Elisabeth zurück. Ihr Gesicht war aschfahl, und sie umklammerte mit beiden Händen ihre Röcke. Sie schrak vor Máelodor zurück, den ihr Entsetzen jedoch höchstens zu erregen schien, denn seine Hand schloss sich noch fester um den Knauf seines Gehstocks, und ein neues Licht glimmte in seinem fiebrigen Blick auf.
Mit schierer Willenskraft sandte Brendan Elisabeth einen beruhigenden und hoffnungsvollen Gedanken gegen die Verzweiflung und die Furcht in ihren dunklen Augen zu. Halt durch, meine süße Lissa! Dies ist nicht das Ende.
Sie warf ihm einen schnellen, verstohlenen Blick zu, der Überraschung und in ihr aufdämmerndes Verstehen verriet. Als gewänne sie die Herrschaft über sich zurück, straffte sie sich dann und legte in einer hochmütigen Geste den Kopf zurück, sodass ihr flammend rotes Haar ihr in seiner ganzen Fülle auf den Rücken fiel. Der wild pochende Puls an der vollkommenen Biegung ihrer Kehle war der einzige Hinweis, dass sie weniger selbstsicher war, als sie erschien.
Máelodors Zunge fuhr über seinen lippenlosen Mund, und seine Nasenlöcher blähten sich. »Sie ist reif für einen Mann. Ich kann ihr Begehren riechen. Was glaubt ihr, was sie tun würde, um den Mann zu retten, den sie liebt? Wie viel von sich selbst sie opfern würde?«
Nein, formte Brendan lautlos mit den Lippen und fuhr auf seinem Platz zusammen, weil Máelodors Drohung die gleiche Kraft
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