Verlockendes Dunkel
Máelodor vor.
Für Brendan hieß es jetzt oder nie .
Rogans Beredsamkeit war fast ebenso hilfreich gewesen wie sein Spürsinn. Während Elisabeth im Schutz der Tür des Cottages wartete, überredete er in einer Zurschaustellung irischer Dreistigkeit die beiden zurückgelassenen Wachen nicht nur, zwei Pferde zu satteln, sondern auch jeden Vers der Ballade von John Barleycorn rückwärts zu singen. Sie gehorchten bereitwillig, und Rogan und Elisabeth waren mit dem misstönenden, falsch gesungenen Gejaule von »wan and pale both looked he till« im Rücken in aller Ruhe aus dem Hof getrabt.
Anderthalb Stunden später ließen sie auf Rogans Beharren hin die Pferde zurück und betraten ein dichtes, stark verwildertes Gehölz. Grauschwarze Wolken zogen am Himmel dahin, und Rogan und Elisabeth mussten gegen einen seltsam beißenden Wind ankämpfen, der so eisigkalt war, als wäre die ganze Kälte des Januars auf diesen abgelegenen Flecken Land herabgekommen.
»Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, mich hierzu zu überreden, Elisabeth. Vielleicht hast du ja sogar ein bisschen leveryas in dir«, scherzte Rogan, als er einen schweren Ast für sie zur Seite bog.
Sie schlüpfte darunter hindurch und riss ihre Röcke von den Zweigen los, in denen sie sich verfangen hatten. »Du wolltest ihm genauso unbedingt folgen wie ich auch. Du brauchtest nur den richtigen Anreiz, um das zu erkennen.«
Er verfiel wieder in seinen sicheren, beschwingten Schritt. »Und was willst du unternehmen, wenn wir sie noch rechtzeitig finden? Ich glaube nicht, dass die Kugeln deines Schießeisens mehr als Fliegenbisse für diesen Klotz von Diener sein werden.«
»Ich habe keine Ahnung, doch mir wird schon etwas einfallen. Bis hierher haben meine Einfälle mich schließlich schon gebracht, nicht wahr?«
Bis hierher, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagten und sie einer vagen, verschwommenen Spur von Magie folgten? Für einen Moment bestürmten sie Zweifel. Konnte sie Rogan vertrauen? Oder könnte es nicht sogar sein, dass er sie von Brendan wegführte? Nein. Sie verdrängte den Gedanken, weil sie gar nicht erst zu zweifeln anfangen wollte. Die Vision hatte ihr gezeigt, dass sie Brendan finden würde. Und sie würde ihn finden.
Der Weg gabelte sich. Ein schmaler Pfad zur Linken führte zu einem Bach hinunter, ein breiterer bergan in tieferen Wald hinein.
Rogan blieb stehen und hob den Kopf. Seine Augen waren auf einen für Elisabeth unsichtbaren Punkt gerichtet, als er langsam und bedächtig zuerst die eine Richtung und dann die andere überblickte. Er erinnerte wirklich an einen Bluthund mit seinen eingesunkenen Augen zwischen den Falten seines langen, eckigen Gesichts und den schlaksigen Gliedern, die in übergroßen Händen und Füßen endeten.
Sie setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm, um zu warten, hin- und hergerissen zwischen Erleichterung über die Pause für ihre müden Füße und Ärger über die Verzögerung. Nach ein paar Minuten knetete sie ihre Hände, wippte mit dem Fuß und versuchte, nicht ungeduldig zu erscheinen, obwohl jeder Zentimeter von ihr vor Nervosität vibrierte.
Rogans Macht durfte sie jetzt nicht im Stich lassen.
Die Ungeduld siegte schließlich über ihre müden Füße. »Wo entlang?«
Rogan blieb jedoch reglos mitten auf der Gabelung stehen, die Hände in die Seiten gestemmt, den Blick auf einen bestimmten Punkt gerichtet.
»Rogan?«
Keine Antwort. Stattdessen verdrehten sich plötzlich seine Augen, und heftige Krämpfe schüttelten ihn.
»Rogan!« Elisabeth rannte zu ihm und hielt ihn, als er schmerzgekrümmt zu Boden fiel. Die Krämpfe wurden immer stärker, und obwohl er die Zähne zusammenbiss, stieg ein leises, tierisches Stöhnen tief aus seiner Kehle auf. War er vergiftet worden? Oder hatte er einen Herzanfall?
Elisabeth drückte ihn an sich, als seine Glieder erschlafften, ein letzter, röchelnder Atemzug sich seiner Brust entrang und eine schleimige schwarze Flüssigkeit aus seinem Mundwinkel herauslief.
Tränen brannten in Elisabeths Augen, und sie blickte zu dem Blätterdach aus Kastanien, Ahorn, Eichen und Eschen auf und sprach ein Gebet für den dahingeschiedenen Harfenisten.
»Das ist schwarze Magie. Máelodors Werk.«
Eine Männerstimme hinter ihr ließ Elisabeth das Herz in die Kehle springen. Sie fuhr herum und sah ihn halb verborgen hinter den Bäumen stehen. Woher war er gekommen? Sie zog die Pistole aus ihrem Rock und richtete sie auf den Fremden. »Wer sind Sie? Zeigen
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