Verlockendes Dunkel
sie damals als junges Mädchen durch den Regen heimgetragen hatte. Der ihr erlaubt hatte, ihm wie ein Hündchen hinterherzulaufen, seit sie alt genug gewesen war, um ihren Kindermädchen zu entwischen. Der zugestimmt hatte, sie zu heiraten, um ihren guten Ruf wiederherzustellen, obwohl es einfacher gewesen wäre, sich davonzumachen. Und dessen Küsse ihr das Hirn vernebelten und dessen Zärtlichkeiten sie vor Wonne schier zerfließen ließen.
»Du hättest besser daran getan, an deinem Nichtwissen festzuhalten«, sagte Brendan. »Wissen ist gefährlich. Es kann dir um die Ohren fliegen.«
Elisabeth konnte keines dieser Teile zu einem Puzzle zusammensetzen, das irgendeinen Sinn ergab. »Wenn dein Ziel das gleiche ist wie Máelodors, warum hast du ihm dann nicht vor Jahren schon den Stein gegeben und die Angelegenheit beendet?«
Darauf antwortete er nicht.
Sie verstand sein Schweigen als kurze Hoffnung in dem Labyrinth ihrer Verwirrung. »Könnte es sein, dass du gar nicht der Unhold bist, für den du gehalten wirst? Es ist sieben Jahre her. Menschen verändern sich in so langer Zeit.«
»Menschen können sich verändern, ja. Sie mögen von ganzem Herzen hoffen, sie könnten wiedergutmachen, was sie angerichtet haben, doch die Verbrechen bleiben. Dieser Makel lässt sich nicht entfernen.«
»Du sprachst einmal von der Rolle, die du bei der Ermordung deines Vaters spieltest. Was genau hast du getan, Brendan? Was ist mit ihm geschehen?«
Wieder antwortete er nicht.
»Deshalb bist du also nach Dun Eyre zurückgekommen. Deshalb hast du Helenas verrückten Plänen zugestimmt: um etwas wiedergutzumachen.« Kalte Angst stieg von ihrem Magen auf und schnürte ihr die Brust zu. »Tu es nicht, Brendan! Es ist zu gefährlich. Du hast selbst gesagt, dass Máelodor dich …«
»Lebend will.« Kummer ließ Brendans Gesichtsausdruck etwas weicher werden. »Und er wird mich leben lassen, solange ich weiß, wo der Stein ist. Und solange ich nicht aufhöre zu schreien …« Er zuckte mit den Schultern. »Solange er sich an meinen Qualen ergötzen kann.«
Elisabeth griff nach ihm, als könnte sie ihn zurückhalten. Ihn hier bei sich in diesem Raum behalten, wo es warm und sicher war und Andere und Duinedon nicht von Bedeutung waren. Wo das Böse sie nicht erreichen konnte. »Sag Helena, dass du dich nicht als Lockvogel zur Verfügung stellen wirst! Sag ihr, sie solle sich etwas anderes einfallen lassen!«
»Es gibt keinen anderen Weg.«
»Du kannst das nicht tun – und schon gar nicht allein.«
Er schüttelte sie ab. »Ich bin gern allein.«
»Warum hast du mich dann geheiratet?«
Die Hand schon auf dem Türknauf, drehte er sich noch einmal um. In seinem Gesicht stand pure Verachtung. »Ja, warum eigentlich, Lissa?«
Brendan ging zum Salon hinunter. Aus dem Speisezimmer auf der anderen Seite des Ganges drangen Stimmengewirr und das Klirren von Besteck, doch der Salon war erfreulicherweise leer. Er konnte jetzt wirklich keine Zeugen brauchen für seinen Tanz so nahe an der Messerklinge.
Er warf einen Blick auf das Klavier in der Ecke und kehrte ihm dann ganz bewusst den Rücken zu. Musik würde in dieser Nacht nicht ausreichen, um die Teufel aus seinem Kopf zu vertreiben.
Seine Schläfen pochten, als er die Karaffe anhob. Mit zitternden Händen schenkte er sich Whiskey ein, der prompt überschwappte und über seine Finger rann. Er leckte ihn ab und spürte die Schärfe des Alkohols auf der Zunge. Dann ließ er sich in einen Sessel fallen, umklammerte das Glas und schwenkte die goldene Flüssigkeit darin herum. Immer wieder und immer wieder, außerstande, sie zu trinken, obwohl er unkontrolliert am ganzen Körper zitterte und sein Magen vollkommen verkrampft war.
Sein Körper verlangte nach einer anderen Versuchung. Nach einer großen, üppigen Gestalt, die ein Kleid so vollendet ausfüllte, dass es einen in den Wahnsinn treiben konnte. Nach dieser wundervollen Mähne roten Haares, das wie dafür geschaffen war, mit den Fingern hindurchzufahren. Und nach den samtigen dunklen Augen, die auf Geheimnisse hindeuteten, die er den verlockend vollen, sinnlichen Lippen entlocken wollte.
Brendan schüttelte den Kopf und verwünschte seine Torheit. Er hatte die Gelübde abgelegt und die Heiratsurkunde unterschrieben, aber seine Ehe mit Elisabeth war die gleiche Heuchelei, wie ihre Verlobung es gewesen war. Und jetzt, da sie von seiner kriminellen Vergangenheit wusste, waren die Chancen für sie beide geringer als die eines
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