Verlockendes Dunkel
mürrischer als sonst.
Madame Arana schien die schlechte Laune ihrer Enkelin jedoch nicht zu bemerken. Entweder das, oder sie war inzwischen daran gewöhnt. Jedenfalls strahlte sie, während sie Butter auf ihr Brot strich. »Ah, die erste Liebe eines jungen Mädchens! Und jetzt hast du ihn und brauchst nicht mehr vor dem Altar zu stehen und zu warten. Es ist geschehen. Einfach so.«
Elisabeth hatte ihn, oh ja! Und sah sich einer äußerst schwierigen Situation gegenüber.
Aber war die Heirat möglicherweise weniger ein Versuch gewesen, ihr Gesicht zu wahren, als vielmehr eine letzte, verzweifelte Bemühung, ihn zu halten? Ein drastisches Mittel, um die Einhaltung eines Versprechens zu erzwingen, das ihr von einem unreifen Zwanzigjährigen aus purem Pflichtgefühl gegeben worden war? Wenn ja, war sie eine dumme Gans.
Oh, natürlich hatte er ihr alles gegeben, was sie wollte. Brendan hatte ein geradezu sündhaftes Begehren in ihr geweckt und es dann mit wonnevoller Gründlichkeit befriedigt. Er hatte sie sogar einen Blick auf mehr als seinen gewohnten eisigen Zynismus werfen lassen. Aber was hieß das schon, wenn ihn nach wie vor nichts anderes als die Pflicht antrieb? Wenn er die geleisteten Gelübde erfüllte, ohne jedoch innerlich dabei zu sein? Würde sie damit leben können?
Oder war es verrückt von ihr, sich in tiefere Gewässer vorzuwagen, wenn ihr Verstand ihr riet, sich mit den seichten zufriedenzugeben?
Spielte das überhaupt eine Rolle, wenn ohnehin alles auf Messers Schneide stand?
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ma petite . Helena weiß, was sie tut. Sie hätte es nicht von dem jungen Douglas verlangt, wenn sie nicht der festen Überzeugung wäre, dass ihre Abmachung sich auszahlen würde.«
»Grandmère!« , fuhr Helena Madame Arana wieder an.
Wegen des nervösen Flatterns in ihrem Magen war Elisabeth jetzt froh, keine zweite Portion genommen zu haben. »Wenn sie nicht glaubte, dass sich was für eine Abmachung auszahlen würde? Was hast du von Brendan verlangt, Helena?«
Miss Roseingrave stellte ihr Weinglas auf den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Blick war fest und undurchschaubar, als sie antwortete. »Douglas ist Máelodors einzige Hoffnung, den Sh’vad Tual zu finden. Wir nutzen das zu unserem Vorteil und locken den Meistermagier aus dem Dunkel, in dem er sich so viele Jahre verborgen hat. Sowie er in Erscheinung tritt, kann die Bruderschaft seine Existenz nicht länger leugnen, und wir können in voller Stärke gegen ihn vorgehen.«
»Du benutzt Brendan? Er hat die letzten sieben Jahre damit verbracht, vor diesem Máelodor zu fliehen, und jetzt wollt ihr, dass er sich euch als menschlicher Köder für diesen Teufel zur Verfügung stellt?«
Helena schürzte die Lippen und beugte sich mit einer brüsken, schon fast drohenden Bewegung vor. »Und warum sollte er es nicht tun? Es hat alles mit ihm begonnen, und daher ist es nur gerechtfertigt, dass er die Sache auch beendet.«
Ein ungutes Gefühl beschlich Elisabeth und gesellte sich zu dem nervösen Flattern in ihrem Magen. »Was hat mit ihm begonnen?«
»Hat Douglas dir nichts von seiner Vergangenheit erzählt?« Helena klang verwundert.
Elisabeth, die sich in die Defensive gedrängt fühlte, erwiderte ihren scharfen Blick mit einem noch schärferen. »Er hat mir genug erzählt.« Ihr gefiel die Richtung nicht, die das Gespräch einschlug. »Ich weiß, dass Brendan ein machtvolles Mitglied seiner Rasse ist. Und dass er, sehr zum Bedauern seines älteren Bruders Aidan, eine Quelle großen Stolzes für den alten Earl gewesen ist.«
»Aber was du offensichtlich nicht weißt, ist, welches Unheil er mit seiner großartigen Gabe angerichtet hat«, versetzte Helena mit unüberhörbarer Verachtung in der Stimme, als sie verärgert ihren Stuhl zurückschob, um sich zu erheben. Dann stützte sie sich mit den Händen auf den Tisch und beugte sich mit einem gefährlichen Blitzen in den Augen vor. »Hat Douglas dir gesagt, dass er ein Mitglied der Neun war wie sein Vater? Und Máelodor? Deswegen ist er geflohen. Deswegen hat er sich versteckt. Und deswegen ging er auch auf unseren ›Handel‹ ein. Weil er wusste, dass ich andernfalls nicht zögern würde, meine Pflicht zu erfüllen und ihn wie den kaltblütigen, skrupellosen Mörder, der er ist, zu töten.«
Das Wort traf Elisabeth wie ein Faustschlag in den Magen.
Brendan ein Mörder? War das wahr?
Ich kann nicht nach Hause zurück. Nie wieder.
Jetzt wusste sie,
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