Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
zu den Bogenschützen hinüber, die sich stümperhaft im Wettbewerb maßen. »Ich glaube, was wir häufig als ein Ideal betrachten, ist zumeist unserer Fantasie entsprungen und nicht in der Realität zu finden, Mylord. Menschen sind generell voller Fehler. Aber wenn man darüber länger nachdenkt, macht das auch unser aller launenhaften Reiz aus. Wenn jemand so vorhersehbar ist, dann ist er doch im Grunde langweilig, oder nicht? Ich verstehe ja, wenn ein Gentleman sich von seiner zukünftigen Ehefrau ein gewisses Maß an Anstand wünscht. Aber wenn man sich jemanden sucht, der so vorhersehbar agiert, verdammt man sich selbst zu einem Leben in ermüdender Langeweile.«
Das war eine langatmige Rede, aber sie fühlte sich danach eindeutig besser.
Denn sie meinte jedes einfühlsame Wort genau so.
Irgendwo im Gras landete ein kleines Vögelchen und hüpfte umher, ehe es wieder davonflatterte. Sie beobachteten es beide, als handle es sich um eine Glanzleistung der Natur. »Da habt Ihr recht«, sagte er schließlich gedehnt. »Ich habe Introspektion nie als eine gute Idee empfunden. Aber in letzter Zeit habe ich mir selbst ein paar unbequeme Fragen stellen müssen.«
»Zum Beispiel?« Vielleicht hätte sie das nicht fragen dürfen. Aber schließlich hatte sie hier allein gesessen, und er hatte sich zu ihr gesellt.
Elijah blickte sie an. Sein Blick war direkt. Sogar sehr direkt. »Ich vermute, ich habe mich vor allem gefragt, wie wichtig es für mich war, welchen Eindruck die Gesellschaft von mir gewinnt. Es ist ja schön und gut, anständig zu sein, aber letzten Endes sind nur zwei Personen an einer für beide Seiten zufriedenstellenden Beziehung beteiligt. Sonst geht das niemanden etwas an. Sich auf die gängige Meinung zu stützen, ist sicher verlockend. Es erfordert nämlich einigen Mut, sich dem zu widersetzen.«
Es wäre vermutlich das Beste, wenn sie an diesem Punkt ihre Meinung für sich behielt. Aber das hatte sie ja noch nie besonders gut geschafft. »Da bin ich mit Euch einer Meinung.«
»Darum habe ich gegrübelt, ob ich in dieser Saison nicht den falschen Weg eingeschlagen habe. Vielleicht bin ich diesem Irrtum schon letzte Saison aufgesessen.«
Wagte sie es, ihn zu fragen? Letzte Saison … Meinte er sie damit? Ob sie ihn fragen konnte, warum sein Interesse an ihr plötzlich so merklich abgekühlt war und er sich zurückzog, obwohl sie vorher das Gefühl hatte, es entwickle sich eine tiefe Freundschaft zwischen ihnen?
Nein. So viel Mut hatte sie nun auch wieder nicht.
Oder doch?
Was hatte sie denn noch zu verlieren?
»Was habe ich letztes Jahr gesagt, das Euch so verletzt hat?« Sie machte eine Pause und atmete tief ein, ehe sie hastig weitersprach. »Vielleicht irre ich mich, und Ihr habt nie irgendein Interesse an mir gezeigt. Aber ich habe gedacht, da wäre etwas … Ich habe es sehr gehofft. Dann habt Ihr plötzlich nicht mehr mit mir gesprochen, und wenn, dann nur mit einer entsetzlichen Höflichkeit. Irgendetwas ist passiert. Und ehrlich gesagt habe ich darüber so ziemlich jeden Tag seither nachgedacht, ich bin noch immer nicht dahintergekommen.«
Er antwortete darauf nicht sofort, und Eleanor drückte ihre zitternden Hände in ihre Röcke. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, wie egal es war, was er sagte. Irgendwie hatte sie ihm einen guten Grund geliefert, sie nicht zu mögen. Dann war es eben so. Wenn sie wusste, was genau seinen Sinneswandel bewogen hatte, war das zwar aufschlussreich, aber es änderte nichts.
Lord Drury nahm einen Schluck Limonade und räusperte sich. »Ich schäme mich, es laut auszusprechen.«
Er schämte sich? Angesichts dieser seltsamen Erklärung starrte sie ihn nur sprachlos an.
»Ihr habt eines Abends mit so viel Verständnis über Miss Austens Roman geredet. Darüber, wie gekonnt die Autorin hier die englische Gesellschaft abbildet. Dann habt Ihr im selben Gespräch geradezu nebenbei über die neuen Getreidezollgesetze debattiert. Euer Fachwissen ließ mich zweifeln, ob mein gemäßigtes Interesse an Literatur und Politik Euch nicht langweilen muss.«
Was sie auch erwartet hatte … Das war es jedenfalls nicht.
»Ihr seht also, ich bin vielleicht auch einer von diesen schrecklichen Dummköpfen, die Ihr so verabscheut.«
Ehe sie darüber nachdenken konnte, erwiderte Eleanor: »Cecily verabscheut Dummköpfe auch.«
»Danke, dass Ihr mich daran erinnert. Sie heiratet nun einen Anderen, insofern sagt Ihr zweifellos die Wahrheit.« Sein Lächeln wirkte etwas
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