Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
Neuankömmling leise. Mit einer bewusst langsamen Handbewegung strich er die Karten ein und nahm sie auf. »Ich glaube, wir sind uns noch nicht begegnet. Viscount Drury, stets zu Ihren Diensten.«
Das englische Protokoll war in seinen Augen Zeitverschwendung, weshalb Jonathan einfach nur den Kopf leicht neigte und die Vorstellung dergestalt hinnahm. »Stimmt, ich bin Augustine. Es ist mir ein Vergnügen.« Es fühlte sich für ihn immer noch merkwürdig an, seinen Titel statt seines Vornamens zu verwenden. In Amerika gab es keine Titel, und das war in seinen Augen auch gut so. Ein Mann war, was er zu Lebzeiten war, und nicht ein Lord, der sich auf seine weit zurückreichende Abstammung stützte.
… ich hasse es, Euch auf das Offensichtliche hinweisen zu müssen, aber auch Ihr seid ein Mitglied der Klasse, die Ihr soeben verunglimpft habt …
Die schöne Lady Cecily hatte damit durchaus recht, erkannte er ironisch.
Drury war für ihn trotzdem ein unbekannter Name und ebenso ein unbekanntes Gesicht. Darum war er nicht sicher, wieso jeder am Tisch plötzlich so angespannt wirkte. Aber genau das war der Fall. Jonathan beobachte den anderen Mann, der seine Karten gerade prüfend zu mustern schien, während er selbst zu entscheiden versuchte, wie viel er setzen sollte. Währenddessen fragte er sich, warum auf einmal diese spürbare Spannung in der Luft lag.
Sie spielten die nächste Runde beinahe schweigend.
James legte seine Karten auf den grünen Spielfilz, der den Tisch bedeckte. »Meine Karten sind nicht gut genug. Ich bin raus.«
Sir Wilfred entschied sich ebenfalls, nicht mitzugehen, die anderen beiden Männer am Tisch machten hingegen vorsichtige Einsätze. Jonathan hatte eine gute Hand und war etwas forscher. Lord Drury schien ebenfalls zu glauben, mit seinem Blatt gewinnen zu können, denn er setzte aggressiv, und es dauerte noch ein paar weitere Runden, bei denen Jonathan vier von fünf Spielen gewann, ehe er verstand, dass es hier um einen persönlichen Wettstreit zwischen Drury und ihm ging, der nichts mit einem einfachen Kartenspiel zu tun hatte.
Worum geht es denn hier, zum Teufel noch mal?
Die Situation war ihm irgendwann so unangenehm, dass Jonathan schließlich aufstand, seine Gewinne einsteckte und sich entschuldigte. Als er sich umdrehte und den Tisch verlassen wollte, erklärte Drury sehr kühl: »Lady Cecily wird schon bald meine Verlobte sein.«
Bei diesen Worten wirbelte Jonathan auf dem Absatz herum. Diese Neuigkeit war ihm so unangenehm, dass er selbst verwirrt war. Er wollte keine Frau – zumindest nicht schon jetzt – und auf keinen Fall hätte er sich eine englische Braut gesucht. Aber darum ging es jetzt nicht. Im Moment schien sein Problem eher ein erzürnter Viscount zu sein sowie ein neugieriges Publikum, das aus allen Männern in diesem Spielsalon bestand. Abgesehen von James hatte er vermutlich nicht viel Unterstützung zu erwarten. Vielleicht war es das Beste, wenn er nicht auf Konfrontationskurs ging.
Das war nämlich genau das, was seine Schwestern nicht brauchten.
»Meine Glückwünsche.« Jonathan versuchte, recht unbeteiligt zu klingen. »Sie ist zweifellos eine Schönheit.«
»Ich dachte, diese Information könnte für Euch von Interesse sein.«
Wären sie nicht in der Öffentlichkeit gewesen und hätte Lily ihn nicht erst kürzlich darauf hingewiesen, dass ein neuerlicher Skandal weder Carole noch Betsy half, wer weiß, was er dann darauf erwidert hätte. Da er aber Rücksicht nehmen musste, blieb er ganz ruhig. Dennoch klang seine Stimme warnend. »Ich weiß nicht, wieso Ihr das glaubt.«
»Wisst Ihr nicht?« Drury musterte ihn jetzt mit offener Feindseligkeit. Seine Augen funkelten. »Wenn ich bedenke, was Ihr zuletzt getan habt, bezweifle ich das doch sehr. Ich habe gehört, Ihr wärt noch nicht allzu gut mit unseren Gepflogenheiten vertraut. Das mag Euch in diesem Fall als Entschuldigung dienen.«
» Eure Gepflogenheiten?« Ein Muskel zuckte in Jonathans Wange. »Das würde natürlich implizieren, dass ich mit dem Protokoll der besseren Gesellschaft nicht vertraut bin, nicht wahr?«
»Oder Ihr missachtet die Regeln einfach mit Absicht.«
Dieser unverschämte Ton provozierte ihn besonders. Jonathan versuchte zu ermessen, ob der Viscount einfach einen fehlenden Selbsterhaltungstrieb hatte oder ob das seine Art war, den wilden Earl dazu zu zwingen, seinem Spitznamen gerecht zu werden und eine Schlägerei vom Zaun zu brechen.
Sir Wilfred sprang auf und
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