Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
sein.
Allerdings wusste sie noch immer nicht, was er von ihr oder ihrer Idee hielt. Aber wenn dieser Blick, mit dem er sie maß, irgendwas bedeutete, dann dachte er vermutlich gerade darüber nach, ob sie den Verstand verloren hatte. Es stimmte, sie kannten einander nicht besonders gut. Aber das traf ebenso auf Lord Drury zu.
Und bei ihm verspürte sie auf keinen Fall diese Anziehungskraft. Das fand sie ziemlich beunruhigend. Der Mann, an dessen Seite sie zum Ball zurückspazierte, war eine recht geschickte Wahl für dieses Täuschungsmanöver. Anders als die anderen Männer, mit denen sie bekannt war, suchte er nicht nach einer Ehefrau. Außerdem bezweifelte sie, dass er sie in eine Situation bringen würde, die im Licht der in ihren Augen manchmal lächerlichen Regeln der Gesellschaft an seine Ehre appellieren würde, sie trotzdem zu heiraten.
Cecily straffte die Schultern. Es war ein vernünftiger Plan. Letztlich würde sie natürlich mit dem Gerede über ihre gelöste Verlobung und die Abreise ihres Verlobten nach Amerika leben müssen, aber ihrer Meinung nach war das auf jeden Fall besser als eine lieblose Ehe. Sie ließ sich nicht nur für das Wohl ihrer Schwester auf diese Scharade ein, sondern es ging auch um ihr eigenes Glück. Welche Freude konnte sie denn am Zusammenleben mit ihrem Ehemann – und in seinem Bett – finden, wenn sie wusste, dass sie damit Eleanor wehtat? Wenn der Viscount nie ein Interesse an Eleanor zeigen sollte, würde er wenigstens irgendwann eine andere Frau heiraten, sodass Eleanor es nicht ertragen musste, ihn als Schwager zu haben.
Sie erklärte lapidar: »Es ist mir ganz ernst, Mylord.«
Die Straße war still und verlassen. Es war eine Wohnstraße, die von dem Teppich zahlloser Sterne am Nachthimmel nur wenig beleuchtet wurde. Deshalb fiel es ihr schwer, Jonathans Miene zu deuten. Leise fragte er: »Und was ist der Nutzen, den ich von einer vorgetäuschten Verlobung haben könnte, wenn Ihr mir diese Frage erlaubt? Ich fürchte, Ihr missversteht mein Pflichtgefühl, das ich dem Titel gegenüber habe. James ist mein Erbe und durchaus in der Lage, die Grafschaft in meinem Sinne zu verwalten. Er hat das schon sehr gut vermocht, ehe ich hier eintraf, und auch jetzt kümmert er sich noch um einen Teil meiner Ländereien. Außer die Angelegenheiten meiner Schwestern zu aller Zufriedenheit zu erledigen, das heißt gute Ehemänner für sie zu finden, habe ich in England nichts vor. Ihr habt recht. Adela und ich werden so bald wie möglich nach Amerika zurückkehren.«
»Wenn Ihr bereits verlobt seid, werden all die jungen, eifrigen Ladys ihre Aufmerksamkeit auf andere Lords lenken.«
»Ich habe bisher eigentlich keine Aufmerksamkeiten junger Ladys bemerkt.« In seiner Stimme klang Belustigung mit.
Unglücklicherweise traf das zu. Er tanzte nur selten, er bat nicht darum, einer der Debütantinnen vorgestellt zu werden, und hatte keinesfalls den Eindruck erweckt, auf der Suche nach einer Countess zu sein. Cecilys Mut sank, aber sie spielte nun etwas aus, von dem sie wusste, dass es eine Trumpfkarte war. Sie hoffte, dieser Trumpf werde nicht nach hinten losgehen. Sie hob ihr Kinn. »Meine Großmutter ist die Herzoginwitwe of Eddington. Sie hat großen Einfluss. Wenn Ihr Euch mit mir verlobt, wird sie natürlich ein gesteigertes Interesse an Eurer Familie zeigen. Wenn es jemanden gibt, der Euch helfen kann, damit Eure Schwestern großartige Partien machen, dann sie.«
»Das könnte sie?« Er klang skeptisch.
»Oh ja«, erwiderte Cecily ohne Zögern.
»Ich verstehe. Das ist Bestechung.« Er ging weiter neben ihr und lachte gedämpft. »Ihr seid ein geschickter Unterhändler, Lady Cecily. Aber sagt mir eins. Wenn Ihr mich davon überzeugt, Eurem Plan zuzustimmen, was lässt Euch glauben, dass Euer Vater auch nur ansatzweise über mein Angebot nachzudenken bereit ist?«
»Ihr seid ein Earl mit einem ansehnlichen Vermögen. Außerdem werde ich ihm erklären, dass ich Euch Lord Drury vorziehe und diese Verlobung möchte. Ich denke, er wird daher zustimmen.«
»Und damit die erhabene Blutlinie der Familie Francis beschmutzen?«
Sie riskierte einen Seitenblick. »Ihr seid in dieser Angelegenheit empfindlicher, als ich gedacht hätte.«
»Ich bin mir meines Spitznamens durchaus bewusst.« Seine Antwort war ironisch. »Für eine so große Stadt gibt es in London nur wenige Geheimnisse.«
Was ihre Kreise betraf, stimmte das sicher. Nur Eleanor hatte sich heimlich in Lord Drury verliebt.
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