Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
unterbrochen hätte. »Augustine, ich hoffe für Euch, dass es eine verdammt gute Erklärung dafür gibt, warum Ihr mit meiner Schwester verschwunden seid.«
Obwohl ihm die Tonlage einer massiven Drohung nicht fremd war, sah er Cecilys Bruder entspannt entgegen, der ihnen in der Einfahrt entgegenkam. Der junge Mann sah tatsächlich aus, als sei er außer sich vor Wut. Die Familienähnlichkeit war wirklich unbestreitbar, doch den Gedanken schob Jonathan schnell beiseite. Cecilys Bruder machte ihm keine Angst. Er kannte den Unterschied zwischen einem ausgebildeten Kämpfer und einem ungeübten Windbeutel. Wohlstand und Privilegien gereichten keinem zum Vorteil, der sich im Nahkampf messen musste. Erfahrung war alles, was zählte.
Jonathan hob daher einfach die Augenbrauen.
Cecily mischte sich ein. »Roddy, was tust du hier draußen?«
»Ich versuche, einen Skandal zu vermeiden.« Schlank und kaum älter als Mitte zwanzig kam Roderick Francis mit weit ausgreifenden Schritten auf sie zu, als wollte er Cecilys Arm packen und sie von Jonathans Seite reißen. Im letzten Moment entschied er sich aber dagegen. Was Jonathan nur recht war. Er war nämlich nicht gewillt, sie loszulassen.
Das war schon ziemlich beredt, stellte er fest.
Aber darüber wollte er später nachdenken. Im Moment musste er diesen unangenehmen Moment möglichst diplomatisch meistern. Ruhig erwiderte er: »Warum sollte es zu einem Skandal kommen? Wir haben einen kleinen Spaziergang gemacht, mehr nicht. Der Ballsaal war stickig, und ich habe mich erboten, Lady Cecily nach draußen zu begleiten, um etwas frische Luft zu schnappen.«
»Ihr seid ziemlich lange unterwegs gewesen, Sir.« Der Tonfall des jungen Marquess grenzte an eine Beleidigung. »Ich muss es wissen, denn ich suche schon eine Weile nach Euch.«
»Ich hoffe, das habt Ihr diskret getan«, gab Jonathan scharf zurück. Es mochte ihm und seinen Schwestern zwar zum Vorteil gereichen, wenn er eine Verbindung mit der angesehenen Familie Francis hatte. Aber das wäre kaum der Fall, wenn er den tadellosen Ruf einer jungen Lady beschädigte.
Obwohl er genau das getan hatte …
»Natürlich«, schnappte Roderick. »Ich versuche ja um jeden Preis, neuerliche Gerüchte um Euch zwei zu unterbinden. Ich bin leider nicht der Einzige, dem eure Abwesenheit aufgefallen ist. Es ist doch nur zu verständlich, dass Drury erwartet hat, heute Abend einen Teil seiner Zeit mit dir verbringen zu dürfen, Cecily. Er hat auch nach dir gesucht. Zum Glück kam Eleanor zu mir und hat es mir erzählt. Was hast du dir nur dabei gedacht?«
»Ich habe gedacht, es ist meine Zeit, die ich verbringen darf, mit wem ich will.« Ihre Stimme klang kühl und fest. »Und ich bin im Moment nicht besonders glücklich mit Lord Drury, denn er scheint schon überall herumzuerzählen, dass es zu einer Verlobung kommen wird, die noch gar nicht beschlossene Sache ist. Diese Anmaßung irritiert mich über die Maße.«
Da sie durchaus bereit schien, einiges auf sich zu nehmen, um Lord Drurys Plan zu durchkreuzen, sie zu seiner Frau zu machen, zweifelte Jonathan nicht länger an der Ernsthaftigkeit ihrer Worte. Zugleich fragte er sich jedoch, ob sie mit den Untiefen männlichen Stolzes vertraut war. Der Viscount wäre vermutlich nicht besonders glücklich mit der bevorstehenden Wendung. Das stand für Jonathan nicht mehr in Frage, seit dieser ihn im Spielzimmer so angegangen hatte.
»Warum kehrt Ihr nicht mit Eurem Bruder zum Ball zurück?«, schlug Jonathan nachdrücklich vor. »Ich werde morgen zu Euch zu Besuch kommen. In der Zwischenzeit werde ich das Haus wohl lieber durch die Terrassentüren betreten, damit es so aussieht, als sei ich im Garten gewesen.«
»Der Garten ist von einer Mauer eingefasst«, murmelte ihr Bruder. »Ihr könnt von der Straße aus nicht hinein.«
Jonathan blickte ihn an und lächelte verächtlich.
Cecily zögerte einen Moment, doch dann nickte sie. »Ich danke Euch für den Spaziergang, Mylord.«
»Ich kann Euch versichern, es war mir ein Vergnügen.«
Die heiße Röte, die ihr bei der Erinnerung an die Umarmung und ihre leidenschaftlichen Küsse in die Wangen stieg, ließ ihren Bruder die Augen zusammenkneifen, als hegte er einen Verdacht. Er blickte von Jonathans ausdruckslosem Gesicht zu den rosigen Wangen seiner Schwester. Aber sie entschärfte die Situation, indem sie Rodericks Arm nahm und ihn zu den Marmorstufen zog, die ins Innere des Anwesens führten. Jonathan hörte ihren Bruder sagen:
Weitere Kostenlose Bücher