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Verlockung der Nacht

Verlockung der Nacht

Titel: Verlockung der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
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er seine letzten Opfer verbrannt hat. Letztes Jahr war er in Hongkong. Oft lässt er die Leichen verschwinden, damit den Behörden nicht auffällt, dass jedes Jahr wieder solche Morde passieren. Aber der Komplize und die drei Opfer kommen immer aus dem gleichen Ort.«
    Er ließ die Leichen verschwinden? »Was kümmert es ihn, ob die Polizei ihm auf die Schliche kommt? Man kann ihm ja schlecht Handschellen anlegen.«
    »Wegen seiner Komplizen«, antwortete Elisabeth. »Würden sie über Zeitschriften oder andere Medien das Muster herausbekommen, würden sie merken, dass er sie ebenfalls umbringt, sobald sie ihre Schuldigkeit getan haben.«
    »Er eliminiert jede Verbindung zu seinen Verbrechen, selbst die seiner Helfer?« Ian stieß einen Pfiff aus. »Ich fange an, den Typen zu bewundern.«
    »Typisch«, meinte ich.
    Elisabeth sagte nichts, aber sie verzog das Gesicht, was mir sogar trotz ihrer Durchsichtigkeit auffiel. Fabian kam zu ihr geschwebt und legte ihr die Hände auf die Schultern.
    »Du musst es ihnen sagen.«
    Bones zog die Augenbrauen hoch.
    »Was denn?«, wollte Denise wissen, bevor er oder ich die gleiche Frage stellen konnte.
    Elisabeth schloss die Augen und schien sich zu sammeln. Wäre sie aus Fleisch und Blut gewesen, hätte ich sie gefragt, ob sie sich nicht lieber setzen wollte, weil sie wirklich aussah wie, na ja, ein Gespenst eben.
    »Kramer bringt seine Komplizen nicht bloß um, damit er nicht mit seinen Verbrechen in Verbindung gebracht werden kann«, sagte sie mit kaum hörbarer Stimme. »Er sucht sich immer Helfer aus, die dem fanatischen Glauben verfallen sind, Gottes Werk zu tun, indem sie ihm bei der Hexenverfolgung zur Hand gehen. Wenn sie dann aber sehen, was er … tut, sobald er sich körperlich manifestiert hat, erkennen viele, dass alles gelogen war.«
    Bones’ Miene wurde grimmig. Selbst Ian sah aus, als hätte er etwas Ekliges gegessen. Denise wirkte so ratlos wie ich, aber dann dämmerte mir, was Elisabeth gemeint hatte, und mein Magen krampfte sich derart zusammen, dass ich glaubte, ich müsste mein flüssiges Abendessen über den ganzen Couchtisch spucken.
    »Er vergewaltigt sie«, sagte ich, während tiefe Abscheu sich in mir breit machte.
    Elisabeth hob den gesenkten Kopf. Als sie weitersprach, sah sie mich direkt an.
    »Sie waren nicht die Ersten.«
    Diesmal war mir sofort klar, was sie meinte, und ich wurde noch wütender. Es hätte mich nicht überraschen sollen, dass Kramer keinem neuen Muster folgte. Ich hatte genug im Malleus Maleficarum gelesen, um zu wissen, dass Kramers Frauenhass nur noch von seiner Fixierung auf die weibliche Sexualität übertroffen wurde. Vergewaltigung war für ihn lediglich ein weiteres Mittel, um seine Opfer physisch und psychisch zu zerstören, bevor er sie umbrachte. Zu Elisabeths Lebzeiten hatten Inquisitoren absolute Macht über die Angeklagten gehabt – und unbeaufsichtigten Zugang zu ihnen auch.
    Elisabeth hatte diesen schrecklichen Alptraum durchgestanden und dann mit angesehen, wie Kramer sein verabscheuungswürdiges Spiel als Geist weitergetrieben hatte. Und doch war sie hier – aufrecht, unerschütterlich und selbst im Tode nicht gewillt, ihr Streben nach Gerechtigkeit aufzugeben.
    »Du bist toll, weißt du das?«, sagte ich, von ihrer Stärke beeindruckt.
    Sie senkte wieder den Kopf. »Nein, ich bin nur das einzige von Kramers Opfern, das noch existiert. Ich bin den Verstorbenen gegenüber verpflichtet, nicht aufzugeben.«
    Schweigen trat ein. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie meine Mutter sich mit der Hand über das Gesicht fuhr, als wollte sie sich Tränen wegwischen. Eine schreckliche Erinnerung drängte sich mir auf: sie, dreck- und blutverschmiert, wie sie mich anflehte, sie umzubringen, weil sie nicht weiterleben wollte, nach allem, was sie während der ersten Tage als neu erschaffener Vampir im Blutrausch getan hatte. Wie sehr ich auch beteuerte, dass der Vampir, der ihr diese Menschen vorgeworfen hatte – und wusste , was passieren würde, womit er sie nur hatte quälen wollen –, der wahre Täter war, es war auf taube Ohren gestoßen. Nur auf Bones hatte sie gehört, als er ihr gesagt hatte, sie dürfte nicht sterben, weil sie damit Rodneys Opfer schmälern würde, der sein Leben gegeben hatte, um sie zu retten.
    Manchmal konnte man eben nur für die Toten weiterkämpfen.
    »Sioux City, Iowa.« Bones betonte jedes Wort. »Morgen machen wir uns auf.«
    Ich schüttelte die Sorgen der Vergangenheit ab. Um Kramer aufzuhalten,

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