Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn
habe sich nur auf Wunsch seiner Ehefrau Veronica, deren fülliger Mund übrigens stark schlauchbootverdächtig ist, unter das Messer begeben. Er weiß, was er seiner Umwelt schuldig ist: »Ich versuche, für meine Mitmenschen angenehm auszusehen. Ich will in den Spiegel sehen und einen angenehmen Anblick bieten können.«
Die Berlusconi-OP wurde in einer Schweizer Klinik vorgenommen; eigens eingeflogene Spezialisten hätten dort Hand an das bekannteste und teuerste männliche Gesicht Italiens gelegt, wie Reporter recherchierten. Das wiederum fanden italienische Mediziner gar nicht lustig. Der prominente Gesichtschirurg Nicolò Scuderi aus Rom mäkelte an der Arbeit der amerikanischen Konkurrenz herum, obwohl die rundum gut gelungen ist: »Die Augen sind nicht ganz symmetrisch.« Ich finde, Berlusconi sieht gut aus, die Operation ist gelungen.
Hatte das Ganze bis dahin noch die launige Handlung einer italienischen Komödie, so sorgte ein Künstler namens Gianni Motti für eine unappetitliche Einlage, die obendrein noch mit Kunst zu tun haben will, wie er es nannte. Er habe sich, so tönte Motti in den begeisterten Medien, in der Schweizer Klinik das abgesaugte Fett Berlusconis besorgt und daraus Seife gemacht. Man könne sich nun
auch mit einem echten Berlusconi waschen – nach dem Motto: An meine Haut kommen nur Wasser und Silvio. Oder: Ich wasche meine Hände in Unschuld …
Berlusconi ist beileibe nicht der erste Staatschef, der sich medizinisch verschönern ließ. Schon Carlos Menem, Jahrgang 1930, der ehemalige Präsident von Argentinien, ließ sich während seiner Amtszeit (1989-1999) liften, was in der argentinischen Männerwelt ab einem gewissen Alter (und Einkommen) üblich ist. Menem gab keine Stellungnahme ab; als er kurz nach der OP mit glattem, aber noch immer leicht angeschwollenem Gesicht in der Öffentlichkeit auftrat, sagte er, eine Wespe habe ihn gestochen. Das ist in Argentinien zum geflügelten Wort geworden, wenn männliche Patienten ihrer Umwelt mitteilen wollen, dass sie beim Schönheitschirurgen waren. Möglicherweise blieb auch Menems Nachfolgerin Cristina Fernández de Kirchner, Jahrgang 1953, dieser Tradition treu. Die Schlauchbootlippen der argentinischen Präsidentin (seit 2007) sind, sofern künstlichen Ursprungs, allerdings nicht besonders gelungen und passen nicht so recht zu Cristinas Bekenntnis, stets nur jungmädchenhaft und frisch auftreten zu wollen. Und ich bin gespannt, ob sich Frankreichs Nico las Sarkozy, der ja als sehr eitel gilt, die Nasolabial-Falten und Schlupflider operieren lassen wird.
Fest steht, dass die Herren mit Glatze, Schildkrötenhals und Schmerbauch optisch keine Pluspunkte sammeln. Das glauben übrigens nicht nur Politiker, Manager und Schauspieler. Achtzig Prozent der operierten Männer sind ganz normale Leute, die ein anspruchsvolleres Körperbewusstsein entwickelt haben. Sie haben mittlerweile verinnerlicht, dass der Begriff Männlichkeit nichts mehr mit Blut, Schweiß und Alkoholausdünstungen à la Hemingway zu tun hat, sondern immer enger mit dem Bild eines ästhetischen, gepflegten Äußeren in Verbindung gebracht wird.
Diese Männer verzichten lieber auf den Urlaub oder ein neues Auto zugunsten einer Schönheits-OP, obwohl die Kosten dafür in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Der Erfolgstyp von heute muss eben attraktiv, vital und schlank sein, egal, wie alt er ist. Ich finde das auch okay, wenn einer seine äußere Vitalität an die innere angleicht. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Es muss halt nur natürlich und gut aussehen, wie etwa bei Brad Pitt, David Beckham oder George Clooney , den beliebtesten Vorbildern, deren Namen männliche Patienten unverblümt nennen, wenn sie mir beschreiben wollen, wie sie sich ihr künftiges Aussehen vorstellen. Vor allem haben die Werbefotos, die David Beckham in Armani-Unterwäsche zeigen, große Begehrlichkeiten geweckt. Viele Männer wollen auch so einen ausgeprägten Six-Pack-Bauch. Ich glaube, dass es so etwas in natura gar nicht gibt, auch bei David Beckham nicht. Wenn man im Fernsehen die Bilder sieht, wie der Fußballstar nach einem Spiel das Trikot mit dem Gegner tauscht, dann kann man bei ihm nur einen ganz normalen flachen Bauch erkennen und nicht solche Muskelausprägungen wie auf den Werbefotos. Wurden die Bilder nachträglich am Computer geschönt?
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