Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn
aufblühte. Aus einem Trauerkloß war ein entschlossener junger Mann geworden, der sein Leben anpackte.
Er selbst sagt, dass sich sein Leben total verändert hat. Er hat auf mein Anraten seine Ernährung völlig umgestellt und hält sein Gewicht. Er treibt mit großer Begeisterung Wassersport. Schwimmen und Tauchen. Er möchte das in Zukunft sogar beruflich umsetzen und Sporttrainer werden. Vorher will er sich noch die Brust straffen lassen, denn auch hier gehen die Hautfalten nicht durch sportliche Betätigung zurück. Ich freue mich, wenn ich Michele und seine Fortschritte sehe, denn das zeigt mir, dass die ästhetische Chirurgie eine hohe soziale Kompetenz haben kann.
Aylin Korkmaz: Ein neues Gesicht lässt den Albtraum vergessen
Wenn man heute mit Aylin Korkmaz am Telefon spricht, will man gar nicht glauben, was für ein Schicksal diese Frau hinter sich hat. Ihre Stimme stockt nicht, sie klingt hell, zuversichtlich, und wüsste man nichts von dem, was ihr widerfahren ist, wäre man versucht zu sagen: Diese selbstsichere Frau hört sich unbeschwert an. Das täuscht, denn diese Frau hat einen Horror erlebt, an dem andere Menschen zerbrochen wären. In ihrem ersten Interview sagte sie: »Ich erinnere mich nur daran, wie er an jenem Tag hereinkam und die Tür verschloss. Und ich sah seine Augen. Das Messer, oder die Messer, habe ich nicht gesehen. Ich habe es an meinem Hals gespürt … Ich möchte endlich aus diesem Albtraum erwachen. Ich möchte Ruhe«, sagte die Türkin Aylin Korkmaz, geboren 1972 in
Adana, einer Millionenstadt unweit der Mittelmeerküste, kurz nach dem Anschlag, der auf sie verübt worden war.
Am 21. November 2007 war ihr Exmann, der Kurde Mehmet K., damals 48, zur der Autobahnraststätte bei Baden-Baden gefahren, in der Aylin an der Kasse arbeitete. In einem Nebenraum fiel er mit zwei Messern über seine Exfrau her. Zeugen in der Tankstelle hörten Schreie, die sie später vor Gericht als »bestialisch« beschrieben. 26 Mal stach Mehmet K. auf Aylin ein. Ins Gesicht, in den Hals, in beide Brüste, in den Arm, den sie instinktiv zur Abwehr erhoben hatte. Der Kehlkopf wurde aufgeschlitzt, die Milz zerrissen, das Gesicht zerfetzt, ein Ohr abgetrennt. Allein am Tatort hatte sie zwei Liter Blut verloren. Als die Polizei kam, glaubte jeder, dass Aylin Korkmaz tot sei. Ihr Mann sagte den Beamten: »Jetzt geht es mir gut, jetzt kann ich das erste Mal seit fünf Monaten wieder schlafen.« Da sah er, wie die leblose Gestalt in ihrem Blut einen Arm bewegte. Aylin lebte. Mehmet K. schrie »Nein« und schlug seinen Kopf gegen die Wand.
Warum dieser Hass? Seine Ehre sei verletzt worden, sagt er und beruft sich auf ein barbarisches Gesetz seiner Heimat, nach dem der Mann mit seiner Frau machen könne, was er wolle. Vielleicht lag es auch an den großen ethnischen und kulturellen Unterschieden zwischen den beiden. Sie ist Türkin, er Kurde. Sie hat Abitur, er kann kaum lesen und schreiben. Sie ist aufgeklärt, er verharrt in archaischem Denken. Sie war achtzehn, als sie durch die Vermittlung von Verwandten heirateten. Beide waren sich fremd, lebten aber als Ehepaar zusammen und gründeten eine Familie. Mit 24 hatte sie schon drei Kinder. Eigentlich wollte sie sechs Kinder, er am liebsten gar keine. Die Familie wohnte in Baden-Baden. Gewalt gehörte zum Alltag. Immer wieder schlug er sie, hart und voller Brutalität. Einmal bedrohte er sie mit einem Beil. Da hatte sie ein Kind auf dem Arm.
Mehrmals flieht sie, kehrt aber immer wieder zurück, weil die Kinder nicht ohne Vater aufwachsen sollen. Schließlich die endgültige Trennung und im Sommer 2007 die Scheidung, die er als Verlust seiner Ehre bezeichnete. Da droht er schon: »Ich warte auf den richtigen Zeitpunkt, dann schneide ich dir den Kopf ab.« Fünf Monate später geschah die Bluttat.
Es sah zunächst nicht so aus, dass sie überleben würde. Acht Stunden lang operieren die Ärzte, drei Tage liegt Aylin im Koma. Dann erwacht sie, und die Ärzte sagen ihr, dass ihr Gesicht entstellt sei. Es bedürfe vieler ästhetischer Operationen, um es wieder einigermaßen herzustellen, doch so hübsch wie früher werde sie nie mehr aussehen.
Schließlich kam diese leidgeprüfte Frau zu mir in die Bodenseeklinik. Ich hatte ein langes Gespräch mit ihr, und irgendwie blieb das Gefühl, sie traue sich nicht aus sich heraus, auch, weil sie völlig mittellos war. Ich wusste genau, dass ich dieser Frau niemals ein Honorar berechnen könnte. Ich sagte ihr, sie
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