Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn
Trend gibt, dann diesen: Immer mehr Männer über sechzig lassen sich operieren. Meist sind es Leute in Führungspositionen, die sich noch längst nicht zum alten Eisen zählen und ihre äußere Vitalität der inneren angleichen wollen – auch aus beruflichen Gründen. Ein schlanker, attraktiver Boss wirkt eben dynamischer und führungsstärker als einer mit zwanzig Kilo Übergewicht, wenigen Haaren, traurig hängenden Augenlidern und einem Schildkrötenhals – und mag er noch so erfahren sein. Das sind denn auch die meisten Eingriffe, die verlangt werden: Fettabsaugen, Haartransplantationen, dezente Facelifts und Beseitigung der Schlupflider.
15. Patienten, die ich nie vergessen werde
»Zu helfen ist immer noch die schönste Aufgabe eines Arztes.« Werner Mang
Über 30 000 Operationen habe ich bislang in meiner Karriere durchgeführt. Die meisten dienten – wie der Name schon sagt – der Schönheit der Patienten und damit ihrem körperlichen wie seelischen Wohlbefinden. Nicht wenige sind echte Notfälle mit medizinisch-psychologischen Indikationen. Wir haben in der Bodenseeklinik zahlreiche Menschen rekonstruktiv behandelt, zum Beispiel viele Frauen nach Brustamputationen wegen Krebs. Oder nach Unfällen, wie etwa Götz George, Costa Cordalis, Dunja Rajter und meine Frau Sybille, der ich nach einem Skiunfall die Nase richten musste. Die meisten Leute denken, dass sich mein Berufsleben ausschließlich mit Prominenten in einer Aura des Schönen und Exklusiven abspielt. Dem ist nicht so. Auch ich werde mit Leid, mit Tragik und seelischen Verletzungen konfrontiert, die so gar nicht zu dem glamourösen Image des Modearztes, das manche Medien von mir zeichnen, passen wollen. Manchmal gelingt es meinem Team und mir, Leid zu lindern, einem schwer belasteten oder nahezu zerstörten Leben wieder etwas Freude und Lebenslust zurückzugeben. Folgende Fälle werden mich stets daran erinnern, dass die Kunst des Heilens nicht nur den Körper betrifft. Und dass der Heiler, also der Arzt, etwas von seinen Patienten zurückbekommen kann: Zufriedenheit.
Marc-David Jung: Ein Ramstein-Opfer nimmt sein Leben in die Hand
Er war vier Jahre, als das Entsetzen über sein Leben hereinbrach. Am 28. August 1988 war Marc David Jung mit seinem Vater und seiner hochschwangeren Mutter bei der Flugshow auf der US-Luftwaffenbasis Ramstein bei Kaiserslautern, als drei Jets der italienischen Kunstflugstaffel »Frecce Tricolori« zusammenstießen und eine 1000 Grad heiße Feuerwalze viele der 300 000 Zuschauer erfasste. 70 Tote, 450 Schwerverletzte. Brennende Wrackteile fallen auf die Familie aus dem benachbarten Saarland. Der Vater stirbt, die Mutter, auf deren Schoß Marc David sitzt, überlebt mit schweren Verbrennungen mit ihrem Sohn, auch das ungeborene Kind, ein Junge, wird gerettet. Vierzig Prozent von Marcs Hautoberfläche sind verbrannt, sein Gesicht ist nicht wiederzuerkennen; erst nach einigen Tagen haben ihn die Ärzte identifiziert. Zur gleichen Zeit kämpft seine Mutter, eine Filipina, um ihr Leben.
Dass der Vater umgekommen ist, erfährt das Kind erst viel später. Nach etlichen Operationen sieht der Junge zum ersten Mal sein entstelltes Gesicht. Von den hübschen Gesichtszügen mit einem leichten asiatischen Einschlag ist so gut wie nichts mehr vorhanden. Er ist geschockt. Dennoch kämpft das kleine Kind mit einer geradezu unglaublichen Kraft gegen sein Schicksal. Ein Jahr nach dem schrecklichen Geschehen geht er wieder in den Kindergarten. »Die haben mich dort akzeptiert, wie ich war. Für die war ich immer noch der Marc, den sie vor dem Unfall kannten. Und ich wollte ganz normal leben und mit meinen Freunden spielen.«
Seine ebenfalls schwer verletzte Mutter schottet ihn nicht von der Außenwelt ab, sondern erzieht ihn ganz normal und nicht überbehütet. Das stärkt das Selbstbewusstsein des Kindes. Psychologische Hilfe, wie sie anderen Ramstein-Opfern zuteil wird, nimmt Marc David nicht in Anspruch. Mit sechs wird er eingeschult, nach vier Jahren geht er aufs Gymnasium und macht sein Abitur. Er studiert, er hat eine Freundin, von der er sagt: »Sie sieht nicht meine Narben. Sie sieht mein Herz.«
Als ich ihn das erste Mal traf, war mir sofort klar, dass die Rekonstruktion
seines verbrannten Gesichts, so weit wie machbar, eine große und schwierige chirurgische Herausforderung sein würde. Und dass bei ihm alle Kosten für die Operationen von der Professor-Mang-Stiftung, die ich eingerichtet habe, um Not leidende
Weitere Kostenlose Bücher