Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
bereit«, stellte er nachdenklich fest. »Die letzte Chance lag darin, dass der Duke sich eingestehen musste, impotent zu sein, und es somit absolut keine Möglichkeit mehr gab, einen Erben zu zeugen – meine Entschuldigung an Euch, Duchess. Ich kann mir nur vorstellen, wie Ihr Euch bei diesem Gespräch fühlen müsst.«
»Nein«, sagte Antonia, »das könnt Ihr wahrlich nicht wissen. Aber ich fühle mich ... irgendwie befreit.«
Osborne sah Antonia an, und in seinen Augen lag Schmerz. Plötzlich erinnerte sich Gareth an den Ausdruck in den Augen des Doktors an jenem Abend, an dem sie zum ersten Mal gemeinsam zu Abend gegessen hatten. Wie oft er Antonia ermahnt hatte, ihren Schlaftrunk einzunehmen. Vielleicht hatte Osborne auch versucht, Antonia von sich abhängig zu machen. Aber sie hatte seine Anweisungen nicht befolgt, Gott sei Dank.
Gareth wandte sich an Kemble. »Aber eines verstehe ich noch immer nicht. Wie hat Mrs. Osborne die Morde begangen?«
»Nun, die zweite Duchess war leichtsinnig und temperamentvoll«, erwiderte Kemble. »Wie die meisten jungen Menschen verschwendete sie keinen Gedanken an ihre Sterblichkeit. Wahrscheinlich hat Mrs. Osborne sie davon überzeugt, mit ihrem Pferd ein Hindernis zu nehmen, für das ihr Können als Reiterin nicht ausreichte. Und als der Sturz keine Fehlgeburt auslöste, hat Mrs. Osborne ihr, wie auch immer sie es angestellt haben mag, ein Abortivum verabreicht. Etwas, das so stark war, dass es die Herzogin getötet hat. Die Damen der Halbwelt kennen sich mit solchen Dingen ganz gut aus.«
»Das stimmt wohl.« Gareth rieb sich über die Bartstoppeln. »Und eine ähnliche Methode hat sie dann auch bei der dritten Duchess angewandt.«
Kemble nickte. »Ja. Das arme Mädchen hat sich vermutlich ihrer lieben Freundin Mrs. Osborne anvertraut und ihr erzählt, sie hege die Hoffnung, schwanger zu sein«, sagte er nachdenklich. »Was natürlich unwahrscheinlich war. Das Mädchen war krank, aber nicht in anderen Umständen. Trotzdem war es ein Risiko, das Mrs. Osborne nicht eingehen wollte. Und wieder war es das Einfachste, dem üblichen Schlaftrunk der Duchess ein Opiat beizufügen.«
»Wie schrecklich«, sagte Antonia.
Gareth sah sie mitfühlend an. »Sie ist einfach eingeschlafen und nie wieder aufgewacht. Und Ihr habt nicht allzu genau hingesehen, nicht wahr, Dr. Osborne? Vielleicht aus Angst, Ihr könntet etwas finden, was Euch beunruhigt?«
»Das ist nicht wahr«, schwor Osborne. »Niemals. Falls Mutter auch nur irgendetwas getan hat, weiß ich nichts davon.«
»Eure Mutter hat häufig Medikamente für Euch ausgetragen, oder, Dr. Osborne?«, fragte Gareth herausfordernd. »Besonders dann, wenn es Medikamente für die weiblichen Patienten waren. Ihr selbst habt mir das erzählt.«
Osborne stieß einen Laut aus, der eine Mischung aus Schluchzen und Lachen war.
»Es wäre in der Tat ein Leichtes, eine Flasche mit einem reinen Opiat auszuhändigen, obwohl es nur in einer sehr viel schwächeren Medikation verordnet wurde«, überlegte Kemble laut. »Allerdings, Doktor, frage ich mich noch etwas: Habt Ihr nie eine Flasche Opiat vermisst?«
»Ich erinnere mich nicht«, sagte er heiser. »Flaschen zerbrechen manchmal. Es ist sehr schwer, darüber Buch zu führen.«
»Ich wette, das ist es tatsächlich«, entgegnete Kemble sanft.
»Wann ist Eure Mutter gestorben, Dr. Osborne?«, wollte Gareth wissen.
»Vor mehr als zwei Jahren«, fauchte Osborne.
»Weniger als zwei Monate nach Antonias Heirat mit dem Duke?«, sagte Kemble. »Macht es Euch etwas aus, uns zu schildern, wie sie gestorben ist?«
Osborne starrte Kemble wütend an. »Sie ist die Treppe hinuntergefallen«, erwiderte er scharf. »Hat sich das Genick gebrochen. Um Himmels willen, warum wollt Ihr, dass ich das alles noch einmal durchlebe?«
»Wart Ihr also dabei?«, fragte Kemble.
Dieses Mal ging der Arzt Kemble an die Kehle. »Ihr Bastard!«, brüllte Osborne. »Ihr gottverdammter, lästiger Bastard!«
Gareth packte ihn, noch während er aufsprang, schlang ihm einen Arm um den Nacken und zerrte ihn rückwärts von Kemble weg.
Zu seinem Schrecken folgte Kemble ihnen und starrte den Doktor unverwandt an. Seine Augen glühten. »Hattet Ihr Euch in die Duchess verliebt, Dr. Osborne?«, wollte Kemble wissen. »War es so? Habt Ihr Eure Mutter die Treppe hinuntergestoßen, weil Ihr wusstet, wozu sie fähig war? Hattet Ihr eine Vermutung, wer ihr nächstes Opfer werden könnte? War es so?«
»Zur Hölle mit Euch!«
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