Verloren unter 100 Freunden
mitwirken, wissen zwei Dinge: Der Furby ist eine Maschine und sie sind keine Folterknechte. Am Ende, mit einem wimmernden Furby in der Hand, finden sie sich auf neuem ethischem Terrain wieder. 12
Wir sind an dem Punkt angelangt, wo wir digitale Objekte gleichzeitig als Geschöpfe und als Maschinen betrachten. Verschiedene Erfahrungswerte – Haustier, Stimme, Maschine, Freund – werden aufgebrochen und fügen sich zu einer neuen Erfahrung zusammen, bei der das Wissen, dass ein Furby eine Maschine ist, nichts an dem Gefühl ändert, dass man dieser Maschine Schmerzen zufügen kann. Kara, eine Frau in den Fünfzigern, denkt darüber nach, wie es war,
einen angsterfüllt wimmernden Furby kopfüber in die Höhe zu halten. Sie findet es geschmacklos, »nicht weil ich glaube, dass der Furby wirklich Angst hat, sondern weil ich nicht gewillt bin, irgendwen oder irgendetwas so reden zu hören und es einfach zu ignorieren. Es kommt mir vor, als würde ich mir selbst schaden, wenn ich dies täte … So etwas mache ich nicht … In diesem Moment ist der Furby eine Art Spiegel für mein Verhalten gegenüber anderen Geschöpfen.«
Als der Spielzeughersteller Hasbro im Jahr 2000 seine »My Real Baby«-Roboterpuppe auf den Markt brachte, versuchte er dieser komplexen Materie auszuweichen. My Real Baby schaltete sich in Situationen, in denen ein echtes Baby Schmerz verspüren würde, von selbst ab. Anders war es noch beim Prototyp gewesen, einem Roboter namens »IT«, der vom MIT-Roboterkonstrukteur Rodney Brooks und seinem Team entwickelt worden war. »Aus »IT« entwickelte sich »BIT« (für Baby IT), eine Puppe mit »Gemütsverfassungen« und einer Gesichtsmuskulatur unter synthetischer Haut für die Mimik. 13 Wenn man den BIT in einer Weise anfasste, die einem Kind wehtäte, begann er zu weinen. Brooks beschrieb die Gemütsverfassungen des Roboters:
»Wenn das Baby traurig war, blieb es so lange traurig, bis man es beruhigte oder es nach minutenlangem, herzzerreißendem Weinen und Strampeln einschlief. Wenn man den BIT … in irgendeiner Weise misshandelte – ihn zum Beispiel heftig kopfüber herumschwang –, fing er an zu weinen. Wenn er bereits weinte und man ihm aufs Knie schlug, dann weinte er noch heftiger, wenn er aber zufrieden war und man ihm dann aufs Knie klopfte, wurde er immer aufgeregter, begann zu kichern und zu lachen, bis es ihm zu anstrengend wurde und er zu weinen anfing. Wenn er Hunger hatte, blieb er so lange hungrig, bis man ihn fütterte. Sein Verhalten hatte große Ähnlichkeit mit dem eines echten Babys.« 14
Wegen seiner Reaktionen auf schlechte Behandlung löste der BIT in Fachkreisen eine ethische Grundsatzdiskussion aus, und als die Puppe unter dem Namen »My Real Baby« auf den Markt kam, hatte der Hersteller den Roboter umprogrammiert, um Kindern kein Spielzeug zu präsentieren, das auf Schmerzen reagierte. Der dahinterstehende Gedanke war, dass ein Roboter, der auf Schmerz ansprach, auch sadistisches Verhalten »ermöglichen« würde. Darum schaltete der Roboter sich ab, falls man My Real Baby auf eine Weise berührte oder schüttelte, die einem echten Baby wehtun würde.
In seiner Werbekampagne pries Hasbro das My Real Baby als »die realistischste und dynamischste Babypuppe für kleine Mädchen« an, »die derzeit erhältlich ist«. Die Firma präsentierte den Roboter als einen Gefährten, der Kindern soziales Verhalten beibringen würde, da sie lernen würden, den Bedürfnissen der Puppe nach Zuwendung, Nahrungsaufnahme, Schlaf und Windelwechseln nachzukommen. In der Tat wurde der Roboter als in allen Aspekten lebensecht vermarktet – mit der Ausnahme, dass er sich, falls man ihm »wehtat«, abschaltete. Wenn Kinder mit der Puppe spielen, erkunden sie tatsächlich die aggressiven Möglichkeiten, die sich ihnen bieten. Sie schlagen der Puppe auf den Popo. Sie schaltet sich ab. Sie schütteln die Puppe, stellen sie auf den Kopf, schlagen ihr auf die Ohren. Die Puppe schaltet sich ab.
Hasbros Entscheidung – maximale Realitätsnähe, aber ohne Feedback auf Misshandlung – löst speziell bei Eltern heftige Reaktionen aus. Für eine Gruppe von Eltern ist es am wichtigsten, ein aggressives Verhalten der Kinder zu vermeiden. Andere glauben, dass, wenn man mit Realismus werbe, die Puppe aber keine Reaktion auf »Schmerz« zeige, Kinder dazu ermutigt würden, anderen wehzutun, gerade weil dies bei der Puppe keine Folgen habe. Wieder andere denken, dass, wenn ein Roboter Schmerz
Weitere Kostenlose Bücher