Verloren unter 100 Freunden
abschaltet. Zwei Achtjährige machen sich Sorgen, weil ihre Furbys so oft niesen. Der erste überlegt, ob sein Furby vielleicht allergisch gegen ihn ist. Der andere befürchtet, sein Roboter könne sich erkältet haben, weil »ich mich nicht gut genug um ihn gekümmert habe«. Mehrere Kinder werden unruhig, wenn ihre Furbys unvertraute Laute von sich geben, die ein Zeichen von Unwohlsein sein könnten. Ich beobachte Kinder mit ihren anderen Spielsachen: Puppen, Spielzeugsoldaten, Actionfiguren. Falls diese Spielsachen sonderbare Geräusche von sich geben, werden sie einfach beiseitegelegt; kaputtes Spielzeug führt schnell zu Langeweile. Aber wenn es einem Furby
schlechtzugehen scheint, fragen Kinder: »Ist er erschöpft?«; »Ist er traurig?«; »Hab ich ihm wehgetan?«; »Ist er krank?«; »Was soll ich jetzt tun?«
Sich um einen Roboter zu kümmern ist ein riskantes Spiel. Dinge können – und werden – schiefgehen. Als in einem Kindergarten ein Furby seinen »Geist« aufgibt, beschließen die Kinder, ihn heilen zu wollen. Zehn Kinder stellen sich freiwillig zur Verfügung, sehen sich als Ärzteteam in der Notaufnahme, beginnen, den Furby auseinanderzunehmen.
Das Prozedere beginnt in einem Zustand relativer Gelassenheit. Während sie über ihren kranken Furby sprechen, bestehen die Kinder darauf, dass der Zusammenbruch nicht das Ende bedeutet: Menschen werden krank und genesen wieder. Aber sobald die Scheren und Zangen zum Einsatz kommen, werden die Kinder nervös. An diesem Punkt schreit Alicia: »Der Furby stirbt!« Sven nennt, zum Entsetzen seiner Freunde, den genauen Zeitpunkt, wenn ein Furby stirbt: Es geschieht, wenn man ihm die Haut abreißt. Sven betrachtet den Furby als Tier. Man kann einem Tier das Fell abrasieren, und es wird weiterleben. Aber man kann ihm nicht die Haut entfernen. Während die Operation weitergeht, überlegt Sven es sich anders. Vielleicht kann der Furby ja ohne seine Haut leben, »aber er wird ganz schön frieren«. Er entfernt sich nicht vollständig von der biologischen Vorstellung (der Furby ist kälteempfindlich), aber er baut sie um. Für Sven zählen nun auch Geschöpfe wie Furby, dessen »Innereien« im Körper bleiben, wenn man die Haut entfernt, zu den biologischen Wesen. Diese gedankliche Anpassung beruhigt ihn. Wenn ein Furby gleichzeitig ein biologisches und ein mechanisches Wesen ist, dann ist die voranschreitende Operation, bei der die Haut des Furbys entfernt wird, nicht notwendigerweise zerstörerisch. Kinder denken sich Theorien aus, wenn sie nervös oder ängstlich sind. Eine gute Theorie kann Angst mildern.
Aber einige der Kinder werden ängstlicher, während die Not-OP weitergeht. Eines gibt zu bedenken, dass der Furby, falls er stürbe, sie heimsuchen könnte. Er ist lebendig genug, um sich in einen Geist verwandeln zu können. Tatsächlich nennen einige der Kinder die entfernte Furby-Haut den »Geist des Furbys« und den gehäuteten Furby-Leib einen »Goblin«. Sie sind nicht glücklich darüber, dass es nach der Operation einen frei herumlaufenden Furby-Goblin und einen Geist geben könnte. Ein Mädchen kommt auf die Idee, dass der Geist des Furbys weniger furchteinflößend sein könnte, falls man ihn aufteilte. Sie fragt, ob es in Ordnung wäre, »wenn jedes Kind ein Stück Furby-Haut nach Hause mitnimmt«. Sie bekommt zu hören, dass nichts dagegen spräche, wiederholt ihre Frage aber trotzdem noch zwei weitere Male, offenbar nicht zufriedengestellt. Am Ende nehmen die meisten Kinder ein Stück Furby-Haut mit. 8 Einige erwägen, sie zu begraben, sobald sie zu Hause sind. Sie erschaffen sich die Möglichkeit für ein privates Ritual, um den Goblin zu besänftigen und ihn zu verabschieden.
Im Klassenzimmer haben die meisten der Kinder das Gefühl, einem kranken Haustier die bestmögliche Behandlung widerfahren zu lassen. Aber von draußen betrachtet, sieht die Furby-Operation grausam aus. Vorbeigehende Kinder rufen: »Ihr habt ihn umgebracht!« ; »Wie könnt ihr es wagen, einen Furby zu häuten?«; »Ihr kommt ins Furby-Gefängnis.« Die achtjährige Denise beobachtet die Vorgänge vom sicheren Flur aus. Sie hat auch einen Furby zu Hause und sagt, sie würde die Probleme ihres Roboters nicht als Krankheiten bezeichnen, weil »Furbys keine Tiere sind«. Sie benutzt das Wort »Fälschung« im Sinne von »nicht-biologisch« und sagt: »Furbys sind Fälschungen und kriegen keine Krankheiten.« Später aber, als die Batterien ihres Furbys leer sind und der
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