Verloren unter 100 Freunden
eben noch schnatternde Roboter verstummt, revidiert sie ihre Haltung. Sie gerät in Panik: »Er ist tot. Er ist gestorben … Seine Augen sind
zu.« Damit erklärt sie ihren Furby gleichzeitig als »Fälschung« und als »tot«. Denise schlussfolgert, dass leere Batterien und Wasser einen Furby töten können. Er ist eine Maschine, die jedoch lebendig genug ist, um sterben zu können.
Linda, sechs, ist eines der Kinder, dessen Familie sich für eine zweiwöchige Heimstudie mit einem Furby bereit erklärt hat. Linda hatte sich sehr darauf gefreut, mit ihrem Furby zu sprechen, weil sie es für lohnender hielt, mit einem Roboter als mit einer Puppe zu sprechen. Aber schon am ersten Abend bei ihr zu Hause versagt der Furby. »Ja, ich war dabei, mich an ihn zu gewöhnen, und dann ging er plötzlich kaputt – gleich am ersten Abend. Ich kam mir vor, als wäre auch in mir etwas kaputtgegangen … Ich habe geweint … Ich war sehr traurig, als er kaputtging, denn er konnte sprechen, er war so echt wie ein richtiger Mensch.« Linda ist so aufgewühlt, weil sie das Gefühl hat, der Furby sei ihretwegen kaputtgegangen und deshalb sei auch in ihr etwas zu Bruch gegangen.
Die Dinge werden komplizierter, als ich Linda einen neuen Furby gebe. Im Gegensatz zu Kindern wie Zach, der viel Zeit und Liebe in seinen »ersten Furby« investiert hat und keinen Ersatz haben wollte, funktionierte Lindas erster Furby nur wenige Stunden. Ihr gefällt es, Furby Nr. 2 zu haben: »Er spielt mit mir Verstecken, und wir spielen ›Grüne Ampel, rote Ampel‹, so wie es in der Bedienungsanleitung drinsteht.« Linda füttert den Furby und stellt sicher, dass er genug Ruhepausen bekommt, und sie berichtet, dass ihr neuer Furby dankbar und liebevoll sei. Sie vereinbart dies mit ihrer Einschätzung, dass ein Furby »nur ein Spielzeug« sei, indem sie zu der Einstellung gelangt, dass Dankbarkeit, Gespräche und Zuneigung Dinge seien, die ein Spielzeug zu leisten vermag. Aber ihrem Furby einen Namen geben oder ihn als lebendig bezeichnen möchte sie nicht. Dies würde ein Risiko darstellen: Linda hätte zu große Schuldgefühle, falls der neue Furby lebendig genug wäre, um sterben
zu können, und ihr schmerzhaftes erstes Erlebnis sich ein zweites Mal ereignete.
Wie die Kinder-Chirurgen macht Linda am Ende einen Kompromiss: Der Furby ist für sie sowohl ein biologisches als auch ein mechanisches Wesen. Sie erzählt ihren Freunden: »Mein Furby ist irgendwie echt, aber trotzdem bloß ein Spielzeug.« Sie erläutert, dass der Furby echt sei, weil er spreche, sich bewege und schlafen könne. Er sei »irgendwie ein Mensch und ein Haustier«. Ein Spielzeug sei er, »weil man Batterien einlegen muss und er ohne die Dinger nicht sprechen kann«.
Einen Furby zum biologisch-mechanischen Mischwesen zu erklären kann also hilfreich sein. Wenn man den Fokus auf die mechanische Seite des Furbys richtet, kann man die Annehmlichkeiten von Gesellschaft genießen, ohne die Risiken einer Bindung zu einem Menschen oder einem Haustier einzugehen. Mit ein bisschen Übung, sagt die neunjährige Lara, »kriegt man ihn dazu, dass er einen mag. Aber er wird nicht sterben oder fortlaufen. Das ist gut.« Aber das Mischwesen weckt neue Ängste. Falls man dem Furby ein gewisses Maß an Lebendigkeit zugesteht, wie behandelt man ihn dann, damit er sich nicht verletzt oder stirbt? Ein Objekt im Grenzbereich des Lebendigen eröffnet, wie wir gesehen haben, die Möglichkeit realen Schmerzes.
Auf ethischem Terrain
Wenn etwas Mechanisches kaputtgeht, reagieren wir unter Umständen traurig, wütend oder empfinden es als lästig. Wir fragen uns, ob es sich lohnt, das Gerät reparieren zu lassen. Wenn eine Puppe »weint«, wissen Kinder, dass sie selbst diese Tränen erzeugen. Aber ein Roboter mit einem Körper kann sich »verletzen« oder
»krank« werden, wie wir in der improvisierten Furby-Notoperation erlebt haben. Soziale Robotik beruht auf dem Grundgedanken, dass ein Roboter-Körper Menschen dazu bringt, Maschinen als Subjekte zu betrachten, als schmerzempfindliche Wesen. Dass selbst der primitivste Tamagotchi derlei Gefühle zu erwecken vermag, demonstriert, dass Objekte diese Grenze nicht wegen ihrer Fortschrittlichkeit überschreiten, sondern aufgrund des Bindungsgefühls, das sie hervorrufen. Mehr noch als der Tamagotchi ist der Furby lebendig genug, um einen schmerzenden Körper oder innere Unruhe zu suggerieren. Furbys jammern und stöhnen und überlassen es ihrem
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