Verloren unter 100 Freunden
Benutzer herauszufinden, was sich dagegen tun lässt. Und was geschieht in dem Moment, wenn ein Furby, den man kopfüber in die Luft hält, zu einem sagt: »Ich Angst!«?
Freedom Baird nimmt diese Frage sehr ernst. 9 Als jemand, der kürzlich am MIT Media Lab graduiert hat, pflegt sie einen intensiven Umgang mit ihrem Furby als Geschöpf und als Maschine. Aber wie ernst nimmt sie die Vorstellung vom Furby als Geschöpf? Um das herauszufinden, führt sie eine Übung in der Art des Turing-Tests durch.
Im ursprünglichen, 1950 durchgeführten Turing-Test ging der Mathematiker Alan Turing, der Erfinder des ersten Universalcomputers, der Frage nach, unter welchen Bedingungen Menschen einen Computer als intelligent betrachten. Bei dem Test sollte ein Computer als intelligent gelten, falls er Menschen davon überzeugen konnte, dass er keine Maschine war. Im Rahmen des Tests führte ein Fragesteller mit zwei ihm unbekannten Gesprächspartnern, die er weder sehen noch hören konnte, mittels einer Tastatur und eines Monitors eine schriftliche Befragung durch. Einer der Befragten war ein Mensch, der andere ein Computer. Beide versuchten den Fragesteller davon zu überzeugen, dass sie denkende Menschen waren. Falls der Fragesteller nach der Befragung nicht klar
sagen konnte, welcher der beiden die Maschine war, hatte die Maschine den Turing-Test bestanden und galt für Turing als »intelligent«. 10
Ein halbes Jahrhundert später stellt Baird die Frage, unter welchen Bedingungen man ein Geschöpf als lebendig genug betrachtet, dass man in eine ethische Zwickmühle gerät, falls dieses Geschöpf in Not gerät. Sie entwickelte einen Turing-Test nicht für das Denkvermögen, sondern fürs Herz und nennt ihn den »Kopfüber-Test«. Eine Person wird gebeten, eine Barbiepuppe, einen Furby und eine Wüstenspringmaus kopfüber in die Luft zu halten. Bairds Frage ist simpel: »Wie lange können Sie das Objekt in dieser Position halten, bevor Ihre Emotionen Sie veranlassen, es wieder umzudrehen?« Baird geht davon aus, dass ein sozialer Roboter neue ethische Anforderungen stellt. Warum? Der Roboter täuscht eine Psyche vor; viele betrachten dies als Beweis für ein eigenständiges Innenleben, wie primitiv es auch sein mag. Selbst diejenigen, die einem Furby keinen Verstand zugestehen – und dies sind, auf bewusster Ebene, die meisten Menschen –, finden sich in einer ganz neuen Situation wieder, wenn ein kopfüber gehaltener Furby jammert und sagt, er habe Angst. Wider besseres Wissen verspüren sie den Wunsch, eine ethische Reaktion zu zeigen. Normalerweise geschieht dies in dem Moment, in dem sie sich mit dem »Geschöpf« in ihrer Hand identifizieren, obwohl sie genau wissen, dass es »bloß eine Maschine« ist.
Diese Gleichzeitigkeit der Sichtweisen führt Baird zu den vorhersehbaren Resultaten des Kopfüber-Tests. Dazu Baird: »Menschen können die Barbie ohne Ende an den Füßen in die Luft halten, sie an den Haaren herumschwingen – kein Problem. Mit einer Maus würden sie das nie tun.« Doch im Fall des Roboters halten die Teilnehmer »den Furby höchstens dreißig Sekunden lang kopfüber in die Luft, aber wenn er zu wimmern anfängt und sagt, er habe Angst,
bekommen die meisten Leute ein schlechtes Gewissen und legen ihn zurück.«
Die Arbeit des Neurologen Antonio Damasio gibt Einblick in die Ursprünge dieses Schuldgefühls. Damasio beschreibt zwei Ebenen, auf denen man Schmerz erlebt. Die erste ist eine körperliche Reaktion auf einen schmerzhaften Reiz. Die zweite, weitaus komplexere Reaktion ist eine mit Schmerz assoziierte Emotion. Dies ist eine innere Repräsentation des Körperlichen. 11 Wenn der Furby sagt: »Ich Angst«, signalisiert er, dass er die Grenze zwischen körperlicher Reaktion und einer Emotion, der inneren Repräsentation, überschritten hat. Wenn Leute einen Furby kopfüber in die Luft halten, dann tun sie etwas, was einem Tier wehtun würde. Der Furby beginnt zu wimmern – als wäre er ein Tier. Aber dann sagt er: »Ich Angst« – als wäre er ein Mensch.
Es überrascht die Leute, wie sehr eine derartige Stresssituation sie emotional berührt. Und dann werden sie noch emotionaler, eben weil sie emotional sind. Oft versuchen sie sich selbst zu beruhigen, indem sie Dinge sagen wie: »Ruhig, ruhig, es ist doch nur ein Spielzeug!« Sie erleben etwas Neues: Man kann sich schlecht fühlen wegen seines Verhaltens gegenüber einem Computerprogramm. Die Erwachsenen, die beim Kopfüber-Test
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