Verloren unter 100 Freunden
über meine Freunde Bescheid, so dass er vernünftige Entscheidungen treffen könnte, wie man sich in bestimmten Situationen verhalten soll. Ich weiß, dass besonders Teenager sich durch emotionale Dinge leicht verwirren lassen und schlimme Fehlentscheidungen treffen.«
Ich frage Howard, worüber er mit dem Roboter in den ersten Gesprächen reden würde. Er sagt, als Erstes würde er »über Glück« sprechen und »was das eigentlich genau ist und wie man glücklich wird«. Das zweite Gespräch »würde von menschlicher Unvollkommenheit handeln«, die er als etwas begreift, was »zu Fehlern« führt. Von Bruce zu Howard hat sich die menschliche Unvollkommenheit von einem liebenswerten Merkmal in einen Nachteil verwandelt.
Kinder haben ihre Eltern zu keiner Zeit als Experten betrachtet. Aber Howards Generation ist die erste, die die Möglichkeiten einer Beziehung erkennt, die frühere Generationen sich nie hätten vorstellen können. Viele Jugendliche glauben heute, dass eine künstliche Intelligenz all ihre E-Mails, Telefonate, Web-Recherchen und Kurznachrichten überwachen und das so erlangte Wissen mit eigenen Suchen ergänzen und eine eigene, nahezu unendlich große Datenbank anlegen könnte. Auf diese Weise könnte die künstliche Intelligenz sich auf die exakten Bedürfnisse ihres Besitzers einstellen. Dem Begriffsvermögen des Roboters stehe eigentlich nichts Technisches im Wege, um, wie Howard es formuliert, »zu erkennen, welche Folgen bestimmte Entscheidungen haben«. Mit umfangreichem Wissen ausgestattet und um das Wohl seines Besitzers bemüht, wäre der Roboter »der ideale Gesprächspartner, um sich über das Leben an sich zu unterhalten. Über Liebesangelegenheiten, über Probleme mit Freunden und so weiter.«
Das Leben an sich? Liebesangelegenheiten? Probleme mit Freunden? Dies waren einst die heiligen Hallen der romantischen Reaktion. Nur Menschen durften darin wandeln. Howard glaubt, dass sich all das auf reine Information reduzieren lässt, so dass eine Maschine hochqualifizierter Ratgeber und Freund in einem sein kann. Die Stunde des Roboters hat geschlagen.
Wie ich bereits angemerkt habe, handelt meine Arbeit weniger von technologischen Fortschritten, wie beeindruckend diese auch sein mögen. Vielmehr möchte ich die Aufmerksamkeit auf unsere starke Reaktion auf das relativ Wenige richten, was soziale Roboter uns derzeit zu bieten haben. Denn wir hoffen, dass sie uns bald noch vieles mehr anbieten können. Mit jedem neuen Roboter steigen unsere Erwartungen. Ich stelle fest, wie anfällig wir sind – und das ist, wie ich meine, nicht ohne Risiko.
3. Kapitel
Ein guter Gefährte
Im April 1999, einen Monat vor der kommerziellen Einführung des AIBO, stellte Sony bei einer Konferenz über neue Medien in San José, Kalifornien, den kleinen Roboterhund vor. Ich sah zu, wie er ruckartig auf eine leere Bühne watschelte, gefolgt von seinem Erfinder Toshitado Doi. Auf dessen Geheiß apportierte der »Hund« einen Ball und bettelte um einen Leckerbissen. Als Nächstes hob AIBO scheinbar autonom ein Hinterbein vor einem nachempfundenen Hydranten. Dann zögerte er – dieser Akt an sich schon eine erfinderische Großtat – und senkte wie aus Verlegenheit den Kopf. Das Publikum machte große Augen. Die Geste, entwickelt, um die Zuschauer aus der Reserve zu locken, war ein voller Erfolg. Ich stellte mir vor, wie im achtzehnten Jahrhundert das Publikum auf Jacques de Vaucansons verdauende (und defäkierende) mechanische Ente reagiert hatte und auf die Schach spielenden Automaten, die Edgar Allan Poe so faszinierten. AIBO wurde als ebensolches Wunder beklatscht, als Faszinosum. 1
Je nachdem, wie man ihn behandelt, entwickelt jeder AIBO eine eigenständige Persönlichkeit, während er von einem niedlichen Welpen zu einem voll ausgewachsenen Hund heranreift. Währenddessen lernt der AIBO neue Tricks und drückt seine Stimmungen aus: Blinkende rote und grüne Augen steuern unseren emotionalen Austausch; jede seiner Stimmungen begleitet ein eigener Soundtrack. In einer späteren Version erkennt AIBO sein Herrchen, kann zu seiner Ladestation zurückkehren und ist klug genug, um zu wissen, wann er eine Pause braucht. Anders als ein Furby, dessen zunehmende
Sprachkenntnis »vorherbestimmt« ist, solange man ihn eingeschaltet lässt, meldet der AIBO Ansprüche auf Intelligenz an und beeindruckt mit seiner Fähigkeit, seine Gemütsverfassung zu demonstrieren.
Falls man den AIBO als ein Spielzeug betrachten
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