Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verloren unter 100 Freunden

Verloren unter 100 Freunden

Titel: Verloren unter 100 Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Turkle
Vom Netzwerk:
möchte, dann als eines, das die Ansichten seines Benutzers verändert. Das tut der Roboterhund auf verschiedene Weise. AIBO gibt einem das Gefühl, es handele sich um eine sich weiterentwickelnde postbiologische Lebensform. Es beginnt damit, dass man den Roboterhund betrachtet, »als wäre er lebendig« und dann beschließt, dass man das »als wäre« eigentlich streichen könnte, denn dafür ist AIBO lebendig genug. Diese Neubewertungen fangen bei Kindern an. Zane, sechs, weiß, dass AIBOs kein »richtiges Hirn und kein Herz« besitzen, trotzdem findet er sie »real genug«. AIBOs sind »irgendwie lebendig«, weil sie funktionieren, »als ob sie ein Hirn und ein Herz besäßen«. Paree, acht, sagt, das Hirn des AIBOs bestehe aus »Maschinenteilen«, aber das ändere nichts daran, dass es »wie ein Hundegehirn ist … Manchmal hat der AIBO sich so verhalten, als würde es ihn frustrieren, wenn er nicht gleich den Ball bekommt. Es sah aus wie eine echte Emotion … Deshalb habe ich ihn behandelt, als ob er lebendig wäre.« Sie sagt, dass, wenn der AIBO einen Batteriewechsel benötige, es »wie das Nickerchen eines Hundes ist«. Und im Gegensatz zum Teddybär »braucht AIBO seine Nickerchen«.
    Indem Paree das Gehirn ihres AIBO mit dem eines Hundes vergleicht, ebnet sie den Weg für andere Möglichkeiten. Sie überlegt, ob der AIBO Gefühle wie ein Mensch haben könnte, und fragt sich, ob er »seine eigenen Gefühle erkennt« – oder ob die »Einstellungen in seinem Innern sie kennen«. Paree sagt, Menschen würden beide Methoden verwenden. Manchmal hätten Menschen spontane Gefühle und »werden sich dessen plötzlich bewusst« (das ist »seine eigenen Gefühle erkennen«). Manchmal aber müssten Menschen
sich programmieren, um die gewünschten Gefühle zu haben. »Falls ich traurig wäre und wieder glücklich sein wollte« – an dieser Stelle hebt Paree die Fäuste an die Ohren, um intensive Konzentration zu versinnbildlichen –, »müsste ich mein Gehirn veranlassen zu sagen, dass ich wieder auf glücklich eingestellt bin.« Der Roboter, sagt sie, habe wahrscheinlich diese zweite Art von Gefühlen, aber sie merkt an, dass beide Möglichkeiten zu fühlen zum gleichen Ergebnis führen: ein Lächeln oder Stirnrunzeln, falls man ein Mensch ist, oder ein zufriedener oder trauriger Laut, falls man ein AIBO ist. Unterschiedliche innere Befindlichkeiten führen zu den gleichen äußeren Manifestationen, und deshalb verlieren innere Befindlichkeiten an Bedeutung.
    Ersatzteile
    Keith, siebzehn, wechselt nächstes Jahr ans College und nimmt seinen AIBO mit. Er behandelt den Roboter wie ein Haustier, obwohl er genau weiß, dass er keines ist. Er sagt: »Na ja, es ist kein gewöhnliches Haustier, aber es ist ein verdammt gutes … Ich habe ihm alles beigebracht. Ich habe ihn so programmiert, dass seine Persönlichkeit zu meiner passt. Ich stelle ihn nie in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Ich lasse ihn in dem Programm, bei dem er zeigt, welche Fürsorge er von mir erhalten hat. Aber natürlich ist er ein Roboter, deshalb muss er trocken bleiben, man muss ihn besonders pflegen.« Sein Klassenkamerad Logan besitzt auch einen AIBO. Die beiden haben ihre Roboter gemeinsam großgezogen. Womöglich sind Logans Gefühle noch stärker als Keiths. Logan sagt, wenn er mit seinem AIBO spreche, »fühle ich mich besser, wenn ich müde, gelangweilt oder niedergeschlagen bin … weil ich eben mit etwas interagiere. Es ist schön, seine Gedanken rauszulassen.«

    Die Begründer künstlicher Intelligenz beschäftigten sich sehr intensiv mit den ethischen und theologischen Implikationen ihres Unterfangens. Sie sprachen über die mythische Resonanz ihrer neuen Wissenschaft: Nahm der Mensch nun den Platz Gottes ein? 2 Der Impuls, ein Objekt nach dem eigenen Ebenbild zu erschaffen, ist nicht neu – man denke an Galatea, Pygmalion, Frankenstein. Neu ist heute, dass eine so simple Standard-Technologie wie die des AIBO die Möglichkeit eröffnet, seinen eigenen Gefährten zu formen. Aber andersherum formen die Roboter auch uns, bringen uns ein bestimmtes Verhalten bei, damit sie sich weiterentwickeln können. 3 Wieder gibt es in der Stunde des Roboters ein psychologisches Risiko. Logans Bemerkung über Gespräche mit dem AIBO, um »seine Gedanken rauszulassen«, weist darauf hin, dass man die Technologie verwenden kann, um sich selbst besser kennen zu lernen. Aber es weist auch auf die Gefahr hin, dass Freundschaft sich darauf

Weitere Kostenlose Bücher