Verloren unter 100 Freunden
sich einen eigenen AIBO gekauft haben. Wie schon beim Furby habe ich die Familien auch bei der AIBO-Studie gebeten, ein »Roboter-Tagebuch« zu führen. Wie ist das Zusammenleben mit einem AIBO?
Die jüngsten Kinder, mit denen ich arbeite – Vier- bis Sechsjährige –, sind zunächst einmal damit beschäftigt herauszufinden, was der AIBO eigentlich ist, denn er ist kein Hund und keine Puppe. Der Wunsch, derartige Kategorisierungen vorzunehmen, ist charakteristisch für diese Altersgruppe. In der Frühzeit der digitalen Kultur haben Kinder dieses Alters gar nicht mehr aufgehört, sich über derartige Kategorisierungsfragen den Kopf zu zerbrechen, wenn man ihnen ihre ersten elektronischen Spielsachen präsentierte. Heute hingegen handeln die Kinder diese Frage schnell ab, um sich anschließend auf die neue Beziehung mit der sozialen Maschine einzulassen.
Die vierjährige Maya hat einen AIBO zu Hause. Zuerst stellt sie Fragen hinsichtlich seiner Herkunft (»Wie machen sie ihn?«) und gelangt gleich zu einer eigenen Antwort: »Ich glaube, sie fangen mit einer Folie an, dann kommt Erde rein, und dann stecken sie ihm rote Lampen in die Augen.« Gleich darauf beginnt sie mir ihren Alltag mit dem AIBO zu schildern: »Ich spiele jeden Tag mit ihm, so lange, bis er müde wird und schlafen muss.« Henry, vier, folgt dem gleichen Muster. Er beginnt mit einem Kategorisierungsversuch: Der AIBO sei fast wie ein Mensch, unterscheide sich vom Menschen aber dahingehend, dass ihm eine besondere »innere Kraft« fehle – ein Bild, das Henry aus seiner Pokémon-Welt kennt. 6 Aber als ich den Jungen nach einer Woche wieder treffe, ist er mit dem AIBO schon eine enge Bindung eingegangen und streicht all das Positive heraus, all die Dinge, die sie miteinander teilen. Am wichtigsten dabei sind für Henry die »Erinnerungs- und Sprechkräfte, die wichtigsten Kräfte überhaupt«. Henrys Hauptaugenmerk liegt nun auf der Frage der Zuneigung: Wie sehr mag ihn der AIBO? Zwischen beiden scheint es bestens zu laufen: Henry sagt, der AIBO würde ihn »vor allen meinen Freunden« bevorzugen.
Mit acht Jahren haken Kinder Fragen über AIBOs »Natur« noch
schneller ab und widmen sich den Annehmlichkeiten des gemeinsamen Alltags mit dem Roboter. In wissendem Tonfall erklärt Brenda, dass »Menschen Roboter bauen und … Menschen kommen von Gott oder aus Eiern, aber das spielt keine Rolle, wenn man mit einem Roboter spielt«. In diesem Abtun der Ursprünge erkennen wir einen neuen Pragmatismus. Brenda nimmt den AIBO als Haustier an. In ihrem Roboter-Tagebuch ruft sie sich unter verschiedenen Punkten ins Gedächtnis, dass dieses Haustier nicht wie ein Hund behandelt werden sollte. In einem frühen Eintrag heißt es, sie dürfe ihn »nicht füttern«, ein anderes Mal schreibt sie: »Man braucht mit dem AIBO nicht Gassi zu gehen.« Brenda bekommt ein schlechtes Gewissen, wenn sie dem AIBO keine Abwechslung bietet. Sie befürchtet, »wenn man nicht mit ihm spielt«, würden seine Lampen rot werden, um seine Unzufriedenheit darüber zu signalisieren, dass er »alleine spielen muss und sich langweilt«. Brenda glaubt, dass der AIBO, wenn er sich langweilt, versuche, »selbst für Abwechslung zu sorgen«. Falls dies nicht funktioniere, sagt sie, »versucht er, meine Aufmerksamkeit zu wecken«. Kinder glauben, der AIBO würde um ihre Aufmerksamkeit bitten, wenn er sie braucht. Zum Beispiel würde ein kranker AIBO wieder gesund werden wollen und wissen, dass er dazu menschliche Hilfe benötige. Ein Achtjähriger sagt: »Er würde dann mehr Aufmerksamkeit wollen als sonst was auf der Welt.«
Außerdem »möchte« AIBO, dass man ihm Aufmerksamkeit schenkt, um etwas beigebracht zu bekommen. Und an dieser Stelle bringen Kinder sich dann so richtig ein. Kinder wachsen nicht einfach mit einem AIBO im Haus heran; sie ziehen den AIBO auf. Oliver ist ein lebhafter, engagierter Neunjähriger, der in einem Vorstadthaus mit vielen Tieren wohnt. Seine Mutter beschreibt das häusliche Leben lächelnd als »kontrolliertes Chaos«, und für zwei Wochen war ein AIBO Teil dieser Lebensumstände. Oliver war sehr aktiv im Umgang mit dem Roboter: Zuerst kamen die einfachen Dinge
– »Ich habe ihm beigebracht, zu bestimmten Sachen hinzulaufen und mit dem Schwanz zu wedeln.« Dann folgten kompliziertere Dinge wie Fußballtraining. Außerdem verbringt Oliver Zeit mit dem Roboter, einfach um »AIBO Gesellschaft zu leisten«, weil der, wie Oliver sagt, »am liebsten mit
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