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Verloren unter 100 Freunden

Verloren unter 100 Freunden

Titel: Verloren unter 100 Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Turkle
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haben
kann. 11 Sie sagt über ihren AIBO: »Ich habe Angst, dass er sich in etwas Böses verwandeln könnte.« Sie sorgt sich, dass ein anderer, ein erschreckender AIBO, mit bösen Absichten und eigenem Willen im Innern des AIBOs lebt, dem sie vorwirft, nur über vorprogrammierte Reaktionsmuster zu verfügen. Dies ist eine komplizierte Beziehung, die Lichtjahre von der mit einem Teddybären entfernt ist.
    Die starken Gefühle, die ein Roboter erweckt, mögen Kindern zu einem besseren Verständnis dessen verhelfen, was in ihnen selbst vorgeht, aber ein Roboter kann Kindern nicht helfen, den Ursprung des Zorns zu verstehen, den er hervorruft. Im besten Fall könnte ihr Verhalten einem AIBO gegenüber mit einem Therapeuten besprochen werden. In Tamaras Fall etwa fragt man sich, ob ihr Verhalten dem Roboter gegenüber auf unbewältigte Ängste hindeuten könnte. Henry und Tamara befinden sich in einer komplizierten Beziehung mit einem Roboter, der sie dazu bringt, zornig zu werden, ohne dass es Hinweise darauf gäbe, dass sie diesen Zorn verstehen lernen und ablegen werden.
    Der AIBO erweckt bei Kindern den Wunsch, ihn als Freund zu haben, aber er kann ihnen kein Freund sein. Dennoch reden Kinder und Erwachsene so, als ob er dies könnte. Derlei Sehnsüchte können schmerzlich sein. Als Yolandas Zeit mit dem AIBO zu Ende geht, gibt sie bereitwillig zu, dass er immer als Freund für sie bereitgestanden habe, wenn sie niedergeschlagen war, und sie sagt, der AIBO könne hilfreich sein, wenn jemand, den man gern hatte, gestorben ist. »Damit der Trauernde wieder glücklich wird, müsste er jemanden um sich haben, der ihm etwas bedeutet, jemanden, der am Leben ist … Es könnte ein AIBO sein.«
    Simultane Blickwinkel und kalte Surrogate
    Die siebzehnjährige Ashley ist eine kluge, aktive junge Frau, die sich als Katzenliebhaberin bezeichnet. Ich habe ihr für zwei Wochen einen AIBO nach Hause mitgegeben, und nun sitzt sie in meinem Büro am MIT, um mir ihre Erfahrungen zu schildern. Während des Gesprächs spielt Ashleys AIBO am Boden. Wir beachten ihn nicht; er macht von selbst seine kleinen Tricks – und zwar äußerst geräuschvoll. Nach einer Weile scheint es, als ob es das Normalste von der Welt wäre, den Roboter abzuschalten, so wie man während einer Unterhaltung ein zu lautes Radio abschalten würde. Ashley beugt sich zu dem AIBO hinab, zögert, greift nach dem Ausknopf, zögert erneut. Schließlich drückt sie auf den Knopf und verzieht dabei leicht ihr Gesicht. Der AIBO sinkt leblos zu Boden. Ashley kommentiert: »Ich weiß, er ist nicht lebendig, aber ich rede immer mit ihm und so, und es ist irgendwie komisch, ihn einfach abzuschalten. Es macht mich nervös. Ich rede mit ihm wie mit meiner Katze, als könnte er mich wirklich hören und verstehen, wenn ich ihn lobe.« Ihre Äußerung erinnert mich an Leah, neun, die über ihren Furby sagte: »Es fällt schwer, ihn abzuschalten, wenn er zu mir spricht.«
    Ashley weiß , dass der AIBO ein Roboter ist, aber sie erlebt ihn wie ein Haustier aus Fleisch und Blut. Er wird für sie nicht nur wegen seiner Intelligenz lebendig, sondern weil er echte Emotionen zu haben scheint. Zum Beispiel sagt Ashley, dass, wenn der AIBO scheinbar sauer war und seine roten Lichter aufleuchteten, ihr dies vorkam »wie ein richtiges Gefühl … Deshalb habe ich ihn wie ein lebendiges Wesen behandelt … Und das ist auch eine sonderbare Sache: Er lebt diese Emotionen ja nicht körperlich aus, aber dann sieht man die Farben und denkt: ›Oh, er ist sauer.‹«
    Künstliche Intelligenz wird oft als die Kunst und Wissenschaft
beschrieben, »Maschinen Dinge tun zu lassen, die man als intelligent betrachten würde, wenn Menschen sie täten«. Ashley und ich gelangen zu einer gleich lautenden Definition künstlicher Emotionen als der Kunst, »Maschinen Dinge ausdrücken zu lassen, die man als Emotionen betrachten würde, wenn Menschen sie ausdrückten«. Ashley beschreibt den Moment, in dem sie zwischen zwei Kategorien festzustecken scheint: Ihr ist klar, dass es keine Emotionen sind, die der Roboter darstellt, doch sie spürt ihre Reaktion, wenn sie die »Farben« sieht, und nimmt den AIBO als »sauer« wahr. Am Ende betrachtet Ashley den Roboter gleichzeitig als Maschine und als Lebewesen.
    Ebenso ergeht es John Lester, einem Computer-Ingenieur, der von einem weitaus anspruchsvolleren Ausgangspunkt kommt. Seit Anfang der Neunzigerjahre hat Lester Pionierarbeit im Einsatz von Online-Foren

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